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Fußball Bertram: Wir sind nur Marionetten

Sören Bertram kritisiert den Umgang des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) mit Spielern in der Corona-Krise. Er hat gesundheitliche Bedenken.

Von Manuel Holscher 09.05.2020, 01:01

Magdeburg l Die tägliche Laufeinheit ist für Sören Bertram zu einem liebgewonnenen Ritual geworden. Der Ablauf ist seit fast acht Wochen, seit der 1. FC Magdeburg nicht mehr im Mannschaftstraining ist, fast immer gleich. Der Stürmer hat sich eine feste Strecke zurechtgelegt, läuft an der Elbe entlang, lässt in diesen Momenten seinen Gedanken freien Lauf. „Die Laufeinheiten sind momentan für mich das Highlight des Tages. Das hätte ich nie gedacht, weil ich sonst eigentlich nur ungern joggen gehe“, erzählt er.

Doch in der Corona-Krise ist eben alles anders. Bertram verbringt viel Zeit zu Hause, informiert sich im Fernsehen und Internet über die aktuellen Entwicklungen. Die Wohnung verlässt er mit einem Mund- und Nasenschutz oft nur zum Einkaufen. „Das ist schon eine sehr spezielle Situation. Trotzdem ist wichtig, dass wir uns weiterhin an die Vorgaben der Behörden halten“, betont er.

Genau verfolgt Sören Bertram auch die Diskussionen um eine mögliche Saison-Fortsetzung mit Geisterspielen in der 3. Liga. Und das, was er da hört, gefällt ihm überhaupt nicht: „Der DFB will unbedingt, dass es weitergeht. Die Spieler werden zu diesem Thema aber überhaupt nicht einbezogen. Wir sind nur Marionetten.“

Besonders über das Hygienekonzept ärgert er sich: „Da heißt es, dass Spieler in Quarantäne gehen müssen, in ein Hotel eingesperrt werden. Mich würde mal interessieren, wie sich DFB-Verantwortliche fühlen würden, wenn man sie eine Woche von ihren Familien wegsperrt.“

Außerdem sei das Konzept in erster Linie auf die Bundesligen zugeschnitten, da dort viel mehr medizinisches Personal vor Ort ist. „In der 3. Liga sind die Voraussetzungen ganz anders. Der personelle Aufwand ist nicht zu stemmen“, sagt Bertram. Was er meint: Im Corona-Konzept werden ein Hygienebeauftragter, ein eigener Mannschaftskoch, mehrere Mannschaftsbusse, separate Kabinen, die räumliche Trennung der Behandlungsliegen und eine feste Zuordnung von Spielern zu mehreren Physiotherapeuten gefordert. „In den Bundesligen können diese Anforderungen erfüllt werden, in der 3. Liga nicht“, sagt der 28-Jährige. Selbst DFB-Vizepräsident Peter Frymuth gibt auf das Konzept für die Bundesligen und die 3. Liga bezogen zu, dass „die Vorgaben und Umsetzungen deckungsgleich sind“.

Für Bertram ist der Druck, der vom Verband momentan ausgeht, ein Unding. Schließlich würden durch einen Restart die Gesundheit der Spieler und der weiteren Vereinsmitarbeiter riskiert werden. Sportmediziner Wilhelm Bloch warnte zudem vor möglichen Folgeschäden einer Coronavirus-Infektion. „Ein Sportler sollte sich schon Gedanken darüber machen, dass eine Infektion das Karriereende sein kann“, sagte Bloch.

Genau diesen Satz bekommt Sören Bertram gerade nicht mehr aus dem Kopf. „Ich habe Angst davor, mich bei einem Spiel anzustecken. Die Gefahr ist bei vielen Zweikämpfen gegeben“, sagt er. Und: „Wir sind alle im Kopf nicht frei, weil wir nach einer Infektion für den Rest unseres Lebens Lungenprobleme haben könnten.“

Für den Offensivspieler gibt es deshalb in der 3. Liga nur eine Lösung. „Ich bin wie der Club der Meinung, dass die Saison abgebrochen werden sollte. Und das sage ich unabhängig von der Tabellenregion, in der wir uns gerade befinden. Aus gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen wäre ein Abbruch der einzig richtige Schritt“, betont er. Denn: „Es ist nicht vermittelbar, dass Schulen und Kitas geschlossen sind, wir aber Fußball spielen sollen.“

Auch die Verletzungsgefahr sei für die Spieler enorm hoch. „Wir haben acht Wochen nicht richtig trainiert, sollen dann aber innerhalb von fünf Wochen elf Saisonspiele und möglicherweise zwei Landespokalspiele absolvieren. Bei einer solchen Belastung sind Verletzungen vorprogrammiert“, ärgert sich Bertram.

Auch die Zeit spiele für Vereine und Spieler eine große Rolle. Denn: „Ich habe noch ein Jahr Vertrag, möchte aber nicht in der Haut der Spieler stecken, deren Kontrakt am 30. Juni ausläuft. Die Ungewissheit ist momentan riesig.“ Beim FCM laufen sogar elf Kontrakte aus – so wissen unter anderem Timo Perthel, Marcel Costly, Rico Preißinger und Manfred Osei Kwadwo nicht, wie und wo es für sie ab Juli weitergeht. „Da aber auch die Vereine nicht wissen, wie es weitergeht, halten sie sich verständlicherweise zurück“, sagt Bertram. „Es ist wichtig, dass wir bald Klarheit haben. Am besten im Sinne der Gesundheit.“

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