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Fussball Streich kritisiert FCM-Trainer Härtel scharf

Joachim Streich ist eine Legende beim 1. FC Magdeburg. Im Volksstimme-Interview kritisiert der 67-Jährige die aktuelle Spielweise des Clubs.

Von Manuel Holscher 07.11.2018, 00:01

Volksstimme: Herr Streich, Sie äußern sich sehr kritisch über den FCM. Was haben Sie nach dem 1:3 in Darmstadt gedacht?
Joachim Streich: Ich habe mir gedacht, dass ich mit dem, was ich zuvor öffentlich kritisiert habe, recht hatte.

Woran hakt es beim FCM aus Ihrer Sicht?
Der FCM kassiert viele Gegentreffer über die Außenpositionen. Es läuft immer wieder über das gleiche Schema ab. Nils Butzen hat die meisten Spiele in dieser Saison schlecht gespielt. Auch Nico Hammann war zu Saisonbeginn auf der linken Seite nicht gut. Sie geben oft nur Geleitschutz. So kann man keine Spiele gewinnen. Auch die Flanken sind schwach. Nach Flanken, ob außen oder aus der Defensive, erzielt der Club überhaupt keine Tore. Dass das Team nicht trifft, liegt nicht an Stürmer Christian Beck. Der tut mir leid, weil er total in der Luft hängt.

Was hat FCM-Trainer Jens Härtel falsch gemacht?
Der Trainer hat es bis heute nicht geschafft, eine Mannschaft zu finden. Es fehlt eine klare Achse, vom Torwart bis zum Stürmer. Er reagiert viel zu oft auf den Gegner. Dabei sollte er sich auf die Stärken der eigenen Mannschaft konzentrieren. Er hat keine Stamm- elf, wechselt oft unnötig von Woche zu Woche. Völlig unverständlich ist für mich auch, dass er die Abwehr, die zu Saisonbeginn sicher stand, immer wieder verändert hat. Warum muss Dennis Erdmann in Darmstadt wieder ins defensive Mittelfeld, obwohl er es in der Abwehr super gemacht hat? Warum muss Tobias Müller plötzlich Linksverteidiger spielen und Nico Hammann in die Innenverteidigung? Ich kann das nicht nachvollziehen.

Wieso hat er sich nicht auf eine Stammelf festgelegt?
Jens macht alles nach Lehrbuch. Mehmet Scholl sprach mal vom Laptop-Trainer. Das war vielleicht etwas flapsig. Fakt ist aber: Fußball kann auch er nicht neu erfinden. Man kann nicht jede Spielsituation im Vorfeld mit der Mannschaft besprechen, nicht für jedes Spiel eine andere, theoretisch zum Gegner passende Elf, aufstellen. Fußball lebt von Überraschungen und ist keine Wissenschaft. Das Trainerteam klammert sich zu sehr an die theoretische Vorbereitung.

Ist der Kader zweitligatauglich?
Ich bin davon überzeugt, dass der FCM nicht schlechter ist als viele andere Zweitligisten. Ich habe aber das Gefühl, dass manche Spieler in dieser Mannschaft einen Freibrief haben, immer spielen. Andere wiederum, die ihre Einsatzchance verdient hätten, bleiben draußen. Das bringt Unruhe.

Wer hat aus Ihrer Sicht einen solchen Freibrief?
Nils Butzen zum Beispiel. Der hätte mal eine Pause bekommen müssen. Ich habe überhaupt nichts gegen ihn. Es ist mir aber zu bieder, was er anbietet. Auch Hammann gehört dazu. Während ein Spieler wie Dennis Erdmann, der für mich ein Anführer auf dem Platz ist, manchmal auf die Bank muss, spielt Hammann zu oft. Viele Spieler sind verunsichert, weil sie nur selten Chancen bekommen, während andere schlecht spielen und trotzdem immer wieder auflaufen.

Sie haben Härtel in der Saison 1996/97 beim FSV Zwickau trainiert. Was für ein Spielertyp war er?
Jens war schon als Spieler so, dass er immer 100 Prozent wollte. Er war ein Arbeitstier im defensiven Mittelfeld. Er hat sich für die Mannschaft aufgeopfert. Darüber hinaus hat er sich schon immer Gedanken gemacht, wie es für die Mannschaft besser laufen konnte.

Überträgt er diesen Anspruch jetzt auf seine Mannschaft?
Er verlangt von manchen Spielern vielleicht zu viel. Nicht jeder kann immer 100 Prozent geben. Trotzdem darf man einen solchen Spieler dann nicht fallen lassen.

Der Druck ist jetzt nach neun Punkten aus zwölf Spielen riesig. Wo muss Härtel ansetzen?
Er muss den offensiven Spielern mehr Freiheiten zugestehen. Die Stürmer müssen viel zu oft nach hinten arbeiten und haben dann in der Offensive nicht mehr die notwendige Konzentration. Jens darf die Spieler nicht in ein taktisches Korsett zwingen. Dribblings müssen erlaubt sein, auch wenn es vielleicht mal schief- geht. Wenn er das verbietet, nimmt er ihnen den Spaß, verunsichert sie. Das hat man zuletzt gegen Hamburg und in Darmstadt gesehen. In dieser Saison hat der FCM immer erst mutig gespielt, wenn das Team zurücklag. In der Defensive müssen die Spieler den Gegner zudem viel früher und intensiver stören. Das hat mir gegen Hamburg überhaupt nicht gefallen. Der Gegner darf keine Lust haben, gegen den FCM anzutreten.

Hat sich Härtel nach über vier Jahren in Magdeburg abgenutzt?
Es ist nicht mehr zeitgemäß, wie er Fußball spielen lassen will. Entweder traut er sich nicht oder er will nicht. Jens ist zu stur. In der Regionalliga und in der 3. Liga hatte er damit Erfolg. Er müsste aber gewisse Tendenzen erkennen. In der 2. Bundesliga wird ein anderer Fußball gespielt.

Hören die Spieler noch auf ihn?
Ich glaube, dass er wegen der ganzen Rotation an Autorität verloren hat. Viele Spieler, die in der einen Woche spielen, in der nächsten aber wieder nicht, stellen irgendwann auf Durchzug.

Wenn es mit Härtel nicht mehr klappen sollte: Welchen Trainertypen bräuchte der FCM denn?
Der Club bräuchte dann einen Pädagogen, weg vom Wissenschaftlichen. Er sollte Fußball spielen lassen. Er müsste den Spielern Selbstvertrauen geben, ihnen vermitteln, dass sie auch Fehler machen dürfen. Der Kampf um die Plätze im Team muss neu entbrennen.

In den Sozialen Netzwerken werden die Aussagen von Joachim Streich heftig diskutiert.

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