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Amtsgericht 350 Euro nach Vollrausch fällig

Ein 55-jähriger Unfallverursacher mit 3,4 Promille wurde in Stendal zu einer Geldstrafe und dem Führerscheinentzug verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 16.04.2018, 14:41

Stendal l Ein spektakulärer Prozess mit unspektakulärem Ausgang: Am Ende des zweiten Prozesstages hat das Amtsgericht jüngst einen Stendaler wegen fahrlässigen Vollrausches zu einer Geldstrafe von 350 Euro verurteilt. Zudem darf ihm frühestens nach einer zusätzlich verhängten achtmonatigen Sperre eine neue Fahrerlaubnis ausgestellt werden. Ob er die ohne MPU erhält, ist zu bezweifeln.

Wie vom Prozessauftakt berichtet, war der rechtlich bislang unbescholtene 55-Jährige angeklagt, am Abend des 10. September vorigen Jahres mit seinem Seat im Langen Weg in Stendal, Höhe Ausfahrt McDonald‘s, im Zustand der Schuldunfähigkeit einen Unfall mit einem Mercedes, Sachschaden 5000 Euro, verursacht zu haben und danach geflüchtet zu sein. Nach dem Unfall wurde er von der Polizei zu Hause aufgespürt und zur Blutabnahme gebracht. Die ergab eine Stunde nach dem Unfall einen Blutalkoholwert von 3,44 Promille.

Der Angeklagte schwieg zunächst im Prozess. Erst als Zeugen zum Unfallhergang ausgesagt hatten, brach er sein Schweigen. Völlig nüchtern hätte er sich von einer Tankstelle eine Flasche Schnaps geholt. Er hätte wohl eine Beinahe-Kollision bemerkt, aber keinen Unfall. Die Zeugen, darunter der aus Berlin stammende gegnerische Fahrer, hatten dazu angegeben, dass der Seat ganz langsam den Mercedes gerammt habe.

Die Flasche Schnaps – Wodka oder Korn, das wisse er nicht mehr – will der 55-Jährige nach dem Unfall in nur 20 Minuten geleert haben. „Dann wäre ein Exitus zu erwarten gewesen“, widersprach Rechtsmedizinerin Kerstin Janke. Sie wies in einer aufwendigen, vom Angeklagten zu bezahlenden Begleitstoffanalyse nach, dass sein behaupteter Nachtrunk nicht stimmen könne. Dem Gutachten nach hat er „über mehrere Stunden vor der Blutprobe Alkohol konsumiert“. Zur Unfallzeit hatte er demnach mindestens 3,38 Promille.

Davon ließ sich die Verteidigerin aber nicht beeindrucken. Mit immer neuerlichen Fragen versuchte sie, das Gutachten zu erschüttern und die Sachverständige unter verschiedensten Aspekten zu einem anders lautenden Ergebnis zu bewegen. Ihr Mandant hätte Leberzirrhose, nehme Medikamente und konsumierte am Tag vor dem Unfall die identische Menge Alkohol. Ob das Auswirkungen auf den Blutalkoholwert zur Tatzeit hatte, wollte sie wissen. Das sei reine Spekulation, hieß es dazu vom Gericht.

Hätte die Verteidigerin geahnt, dass es letztlich nur um eine kleine Geldstrafe ging, hätte sie sich wohl nicht so ins Zeug gelegt. Das Gericht hielt nämlich die Unfallflucht für nicht erwiesen, weil der Angeklagte den Crash wegen seiner Alkoholisierung eventuell nicht wahrnahm. Folglich könne er dafür auch nicht bestraft werden.