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Von 325 bis 1580 Euro Azubi-Gehälter klaffen weit auseinander

Wenn es ums Geld geht, ist Ausbildung nicht gleich Ausbildung: Azubis verdienen je nach Branche und Region extrem unterschiedlich. Corona dürfe diese Gräben nicht noch verschärfen - so die Forderung von Experten.

Von Larissa Schwedes, dpa 20.07.2020, 13:29

Düsseldorf (dpa) - Am Ende seiner Ausbildung verdient ein Azubi auf dem Bau in Westdeutschland fast fünf Mal so viel wie ein angehender Friseur in Thüringen: Wie gut es sich von einer Ausbildung leben lässt, hängt weiterhin extrem stark davon ab, in welcher Branche man arbeitet und wo man sich befindet.

So verdient der Friseur-Azubi in Thüringen im ersten Jahr durchschnittlich 325 Euro pro Monat, während der Baugewerbe-Azubi im Westen gegen Ende seiner Lehre auf bis zu 1580 Euro bekommt. Das geht aus einer aktuellen Auswertung von 20 Branchen mit Tarifverträgen hervor, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am Montag veröffentlicht hat.

Azubis verdienen im Westen mehr als im Osten

Im Schnitt erhalten die Berufsanfänger in Westdeutschland auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung weiterhin häufig mehr Lohn als im Osten. Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass Auszubildenden eine "angemessene Vergütung" zusteht. Allerdings bleiben Arbeitgebern dabei große Freiheiten, so können sie etwa bis zu einem Fünftel von Branchentarifverträgen abweichen.

WSI-Experte Thorsten Schulten bewertet die Tarifbindung in vielen Bereichen als positiv, sieht aber beim Niveau der Ausbildungslöhne noch ordentlich Luft nach oben. "Gerade in den traditionellen Niedriglohnsektoren müssen sich die Unternehmen überlegen, wie sie die Arbeit aufwerten können, um auch zukünftig noch genügend Auszubildende zu gewinnen", so Schulten.

Die Corona-Krise macht die Situation nicht einfacher: Laut Einschätzung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) haben es Betriebe in diesem Jahr besonders schwer, an Auszubildende heranzukommen, da Ausbildungsmessen oder Veranstaltungen in Schulen weitgehend ausfielen.

Viele Betriebe stehen vor Problemen

Ob Friseure, Bäcker oder andere Dienstleistungsberufe: "Das sind alles Bereiche gewesen, wo vor der Corona-Krise schon die Betriebe zunehmend Probleme hatten, Auszubildende zu finden", sagte Schulten der Deutschen Presse-Agentur. Jetzt, da viele Betriebe heftige Umsatzeinbußen zu beklagen hätten, dürfe nicht an der falschen Stelle - also am Personal und bei der Ausbildung - gespart werden.

"Es ist nicht die Zeit für große Lohnsteigerungen, das erwartet ja auch niemand", sagte Schulten. Dennoch sei es wichtig, über die aktuelle Krise hinauszuschauen und Berufsanfänger weiterhin auszubilden und angemessen zu bezahlen. Zudem werde sich die künftige Existenz für die meisten Betriebe nicht daran entscheiden, wie niedrig die Ausbildungsvergütung sei. Staatliche Überbrückungshilfen oder Prämien sollten daher gezielt eingesetzt werden.

Im Öffentlichen Dienst habe man sich in den vergangenen Jahren um mehr Attraktivität der Stellen bemüht, heißt es in der WSI-Auswertung. Dort werden Berufsanfänger bereits im ersten Lehrjahr meist mit mehr als 1000 Euro pro Monat entlohnt. Auch Lehren bei Versicherungen, Banken sowie in der chemischen oder Metall- und Elektroindustrie gehören zu jenen mit höheren Azubi-Löhnen. Schlechter bezahlt bleibt im Floristik- oder Friseurhandwerk, wo der Lohn regional teilweise sogar unter der für das erste Lehrjahr gesetzlich festgelegten Mindestausbildungsvergütung von 515 Euro im Monat liegt.

Die Mehrzahl der untersuchten Branchen zahlte im ersten Ausbildungsjahr jedoch zwischen 700 und 900 Euro. Innerhalb der Ausbildung steigt das Gehalt immerhin in den meisten Fällen an: Bis zum dritten Ausbildungsjahr bekommen in den untersuchten Branchen immerhin rund drei Viertel der Azubis mehr als 1000 Euro pro Monat. Auch hierbei haben jedoch die ohnehin am schlechtesten bezahlten Gruppen das Nachsehen: Die Friseur-Azubis in Thüringen müssen sich auch im dritten Ausbildungsjahr noch mit 465 Euro begnügen.

© dpa-infocom, dpa:200720-99-858930/2

Mitteilung der Hans-Böckler-Stiftung