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Traum oder Trauma? Aus dem Dunkeln: Maren Kames' Lyrikband "Luna Luna"

Mit "Luna Luna" von Maren Kames ist in diesem Jahr erneut ein Lyrikband für den Preis zur Leipziger Buchmesse nominiert worden. Es ist erst das zweite Werk der jungen Autorin, aber eines, das durch eine ungewöhnliche Art der Dichtung aus dem Rahmen fällt.

Von Frauke Kaberka, dpa 25.02.2020, 14:19

Zürich (dpa) - Es ist Poesie der Träume, aber keinesfalls zum Träumen: Viel zu aufreibend und viel zu stürmisch fliegen Sequenzen wie Wolkenfetzen im Sturm über die Seiten des Lyrikbandes "Luna Luna" der jungen Wahl-Berlinerin Maren Kames (Jahrgang 1984).

Und sie lässt keinen Zweifel daran aufkommen, dass diese Gedanken aus der Dunkelheit kommen, aus dem Dunkel des Inneren - im irrwitzigen Kontrast zu den rosa Gehirnwindungen, die sie hervorbringen. Oder dem pinken Mond, den sie besingt.

Überhaupt lebt diese Dichtung von Kontrasten: Dunkle, wütende Gedanken werden zeitweilig von Breaks gestoppt, die scheinbar ohne Zusammenhang vom zerbrochenen Ich zu auf der Wiese herumstehenden Kühen springen. Humor kontra Tristesse: Traurigkeit wird kurz gesprengt von einem schnarchenden Scheich am Flughafen. Der (maskuline) alles beherrschende Mond ist feminin (Luna), die "Denkerin" ist eine Frau, die Geisha ein Gegenpart zum Mann, zu Sheitan - oder Satan oder Teufel oder Dämon.

Es ist schwer zu sagen, wen Kames, die unter anderem Philosophie, Theater- und Literaturwissenschaften studiert hat, mit ihrem Text mehr anspricht: die Rastlosen, die im Zustand zwischen Schlafen und Wachen ähnliche Flüge durch das mit Informationen und Gefühlen vollgestopfte Hirn masochistisch aushalten, oder jene, denen genau solche wilden Ritte durch das geistige Universum willkommen sind und für die sie eher gern erlebte Träume als Traumata darstellen. Nachvollziehbar ist beides.

Eine auf den ersten Blick vermeintliche Disharmonie wird mit einem poppigen Bindemittel zur schrägen Ausgewogenheit oder andersherum: zur ausgewogenen Schieflage. Denn nach dem Konsum des Textes hat der Leser meist Schlagseite - und das bereitwillig! Nahezu 30 Songs bekannter Interpreten helfen dem Verstehen auf die Sprünge: von Alphaville über Annie Lennox, David Bowie und Dusty Springfield bis hin zu Radiohead, Tom Waits und vielen mehr.

Und so mancher wird sich fragen, was Helene Fischer hier zu suchen hat. Es ist einfach witzig: "Der Tyrann (...) verliebt sich spontan in den Soldaten, beugt sich zu ihm in den Graben und macht einen Sprechgesang: atemlos, einfach raus! deine augen ziehn mich aus! atemlos, durch die nacht, spür, was liebe mit uns macht! (...)" Selbst Friedrich Schillers Ode an die Freude muss herhalten: "freude schöner götterfunken, tochter aus elysium, wir betreten feuertrunken, himmlische, dein heiligtum. - die granaten legen wir hier ab, das tief schwarze pulver. (...)"

Fraglos bestätigt "Luna Luna" das, was man von Maren Kames nach ihrem preisgekrönten Debüt ("Halb Taube, halb Pfau", 2016) erwartete: Auch ihr zweites Werk ist ungewöhnlich, ja spektakulär und nicht von ungefähr für den Buchpreis der Leipziger Buchmesse (12. bis 15. März) nominiert. Nun, als Bettlektüre ist "Luna Luna" sicher ungeeignet, wohl aber für einen aufregenden Ausflug in die Welt der Traumsequenzen mit allen Höhen und Tiefen, Sehnsüchten und Ängsten, der viel Raum für Interpretationen der verschiedenen Art öffnet.

Und ja, es ist ein dunkler Text, wie es im Bucheinband heißt. Entsprechend ist auch die Aufmachung der Lektüre: Silberschrift auf schwarzem Grund der Einband, weiße Buchstaben auf schwarzem Grund die Innenseiten - alles assoziiert Dunkelheit, Nacht, Silbermond, Gestirne. Aber die Deutung ist allein dem Leser überlassen.

Mit Jan Wagners "Regentonnenvariationen" wurde 2015 erstmals ein Gedichtband für den Buchpreis nominiert und schließlich auch gekrönt. Wie Wagners Poesie hebt sich auch "Luna Luna" stilistisch stark von herkömmlicher Lyrik ab. "Luna Luna" sogar noch um einiges mehr. Hier gibt es weder ein klassisches Versmaß, ja nicht einmal abgeschlossene Verse, sondern einen nahezu durchlaufenden Text. Hier wird neben der auffälligen Farbgebung auch mit Groß- und Kleinschreibung sowie mit Kursiveinschüben experimentiert.

- Maren Kames: Luna Luna, Secession Verlag für Literatur, Zürich, 108 Seite, 35,00 Euro, ISBN 978-3-9069-1067-3.

Luna Luna