1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Buch
  6. >
  7. Neuer McCarten-Roman: Erfindergeist mit Licht und Schatten

Eine Lebensgeschichte Neuer McCarten-Roman: Erfindergeist mit Licht und Schatten

Thomas Edison ist weltweit als Erfinder der Glühbirne bekannt. Seine langjährige Zusammenarbeit mit dem Unternehmer und Banker J.P. Morgan steht im Mittelpunkt des neuen Romans des Neuseeländers Anthony McCarten "Licht". In Rückblenden skizziert der Autor das Leben des eines Genies, das nie eine Universität besucht hat.

Von Frauke Kaberka, dpa 11.04.2017, 13:53

Zürich (dpa) - Als Thomas Alva Edison (1847-1931) die Glühbirne - jedenfalls die erste dauerhaft brennende - erfand, leuchtete sein Stern fast schon so hell wie jene bahnbrechende Kreation von 1879, für die fortan sein Name stand.

Er, der keinerlei akademische Bildung besaß, galt schon bald als einer der findigsten Geister seiner Zeit, was ihn jedoch nicht vor wirtschaftlichen und sozialen Turbulenzen bewahrte. Der Neuseeländer Anthony McCarten (Jahrgang 1961) hat es sich zur Aufgabe gemacht, die vielschichtige Persönlichkeit jenes Amerikaners zu zeichnen, dem um die 2000 Erfindungen zugeschrieben werden - darunter neben der Glühlampe der Phonograph und auch der Elektrische Stuhl.

"Licht" heißt der neue Roman McCartens, der damit keineswegs eine neue Biographie Edisons verfassen wollte, wie der Autor in einer Nachbemerkung schreibt. Vielmehr lasse er einen alten Mann auf sein Leben zurückblicken - mit "Vergröberungen, Verzerrungen und Verkürzungen". Und mit viel Empathie, wie der Leser schon bald bemerken wird. Was wahrhaftig nicht einfach ist, denn die Lichtgestalt Edison hatte durchaus ihre Schattenseiten. So wird uns ein gegensätzlicher Charakter offeriert, mit Gewissen und Egoismus, mit Esprit und Sturheit, mit Freigeist und Engstirnigkeit.

McCartens Blick auf Edisons Lebensgeschichte ist eine durcheinandergewirbelte Reihung von Jahresringen. Die erste Rückblende beginnt 31 Jahre vor dem Ableben des großen Erfinders: Es sind nur noch wenige Sekunden bis zur Jahrhundertwende. Der 53-jährigen Edison verabschiedet das 19. Jahrhundert mit einem Schluck Milch, übrigens das Einzige, was er derzeit zu sich nimmt. Es ist ein Experiment.

Der Mann, der sich seit drei Wochen ausschließlich von Milch ernährt, will nachweisen, dass ein Mensch von nur einem einzigen Nährstoff leben kann. Wieder einmal einer von vielen überflüssigen, wenn nicht gar sinnlosen Versuchen, die den Mann, dessen Name bereits für das eben vergangene Säkulum steht, umtreiben. Es bleibt unter dem Strich vor allem die Glühbirne, die zu einer langjährigen Partnerschaft mit einem der reichsten Männer Amerikas führt: mit J.P. Morgan (1837-1913), dem bekannten Banker, der sich von einer Zusammenarbeit mit Edison Ruhm, Geld und Macht verspricht - und eine lange Zeit auch erhält.

Mehrere Jahresringe vorher beginnt die sprichwörtliche Liaison der Beiden, die vor allem in der Finanzierung von Edisons Projekten und der Schaffung großer Unternehmen besteht. McCarten kommt nicht umhin, die lebensfüllende Zusammenarbeit zu skizzieren. Doch ist es der Sand im Getriebe, den der Neuseeländer zu einem Charakterbild formt, von dem niemand genau weiß, wie nah es dem Erfinder kommt. Fakt ist, dass Edisons Sturheit, am Gleichstrom festzuhalten, anstatt sich dem Wechselstrom - der epochalen Entdeckung eines seiner früheren Mitarbeiter - zuzuwenden, den ersten Riss in der Partnerschaft mit Morgan verursachte.

Tatsache ist auch, dass er, der Pazifist, der sich stets gegen die Todesstrafe ausgesprochen hat, die Herstellung des Elektrischen Stuhls vorangetrieben hat, wobei dieser mit dem "tödlichen" Wechselstrom betrieben wurde. Ob Edison damit seine Widersacher verunglimpfen wollte, sei dahingestellt. Interessant ist vor allem, wie McCarten den seelischen Zustand seines Protagonisten bei der Vervollkommnung dieser Todesmaschine zeichnet. Das vor allem ist es, was den sehr lesenswerten und spannenden Roman auszeichnet: das Bild von der Zerrissenheit eines Mannes, der gleichermaßen von Unruhe getrieben, von Einfällen und Ideen bestürmt und von Zweifeln geplagt wird, so dass er weder sich noch seine Familie schont.

Dass sich McCarten diesem sensiblen Thema durchaus auch mit Humor nähert und mit den unorthodox zusammengestellten Rückblenden und zeitaktuellen Momentaufnahmen durchmischt, macht die Lektüre zudem kurzweilig und lebendig. Bei aller Phantasie, die der Autor und Filmemacher aus Neuseeland in sein jüngstes Werk einbringt, ist es doch durchaus auch ein kleines Lehrstück in Sachen industrieller Revolution, das zum Nachschlagen und Weiterinformieren anregt.

- Anthony McCarten: Licht. Diogenes Verlag, Zürich, 368 Seiten, 24,00 Euro, ISBN 978-3-257-06994-5.

Licht