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Denkmaltag Wendeltreppe als Rutsche genutzt

24 Denkmale öffneten am Sonntag ihre Pforten. Zur Eröffnung des Tages am Grudenberg gab es eine überraschende Begegnung.

Von Sabine Scholz 11.09.2017, 13:35

Halberstadt l „Das Haus meiner Kindheit“, sagt Jürgen Lorenz. Der 79-Jährige war am Sonntagmorgen gemeinsam mit Ehefrau Brigitta, Sohn Steffen und seiner jüngsten Schwester Renate Bierschenk zum Grudenberg 8 gekommen. Hier wurde der Tag des offenen Denkmals in Halberstadt offiziell eröffnet, mit Informationen zu dem umfangreichen Sanierungsvorhaben und Führungen durch das im 17. Jahrhundert erbaute Fachwerkhaus.

1956 ist er aus Halberstadt weggegangen, seine Schwester Renate blieb hier, sodass er nie den Kontakt in seine alte Heimat verlor. Jürgen Lorenz berichtet den Gästen, die sich auf dem Hof des Gebäudes versammelt haben, dass er zweimal geboren wurde in diesem Haus - das erste Mal im August 1938, das zweite Mal am 8. April 1945. Seine Eltern waren mit den Kindern in den Gewölbekeller des Hauses geflohen und überlebten dort den Angriff auf Halberstadt, acht andere Mitglieder seiner Familie kamen an diesem Tag ums Leben. Dach, Fenster und Türen waren durch die Druckwellen der Bombenexplosionen zerstört worden. Seine Eltern begannen, das Haus zu reparieren, mit den Mitteln, die ihnen zur Verfügung standen. „Ich bin hinter Igelit groß geworden“, sagt Jürgen Lorenz, „das Plastikmaterial hat man damals ja unter anderem als Glas-Ersatz genutzt.“ Seine Eltern lebten bis Anfang der 1980er Jahre im Grudenberg 8 und haben es damit sicherlich vor dem kompletten Verfall bewahrt.

Dass die barocke Wendeltreppe erhalten blieb, freut den heute in Hohenthurm im Saalekreis lebenden Lorenz. Mit der Treppe verbinden sich für ihn Kindheitserinnerung, denn an einem Seil, das am Stamm der Wendeltreppe befestigt war, seien sie als Kinder immer vom zweiten in das erste Geschoss gerutscht, erzählt Jürgen Lorenz.

Die Treppe steht heute im Nachbarhaus Hühnerbrücke 4 und war bei der Sanierung dieses Gebäudes aufwändig restauriert worden. „Jede einzelne Tritt- und Setzstufe wurde repariert und restauriert. Die Treppe ist mit ihren barocken Brettbalustern ein wundervolles Zeitzeugnis“, berichtete Claudia Hennrich, Geschäftsführerin des Deutschen Fachwerkzentrums. Brettbaluster sind säulenartige Stützbretter, meist stark profiliert, die man für Treppengeländer, Laubenverkleidungen oder in Möbeln verwendete.

Das Fachwerkzentrum hat die Sanierung des Grudenbergs 8 übernommen, innerhalb des als „Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen“ geehrten Projektes „Integrativer Ort Baudenkmal“. Hier lernen Menschen aus unterschiedlichen Ländern, wie man ressourcenschonend und energieeffizent Baudenkmale sanieren kann.