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Der USA-Experte Rüdiger Löwe ist in dieser Woche zu Gast in Zichtau, Burg und Stendal Altmärker seit 45 Jahren Freund von Clinton

15.10.2012, 01:37

Rüdiger Löwe ist ausgewiesener Amerika-Experte. Er studierte in den USA, war beim Bayerischen Rundfunk unter anderem Leiter der Redaktion "Internationale Sicherheitspolitik". Und: Er ist mit Bill Clinton befreundet. Seine Wurzeln liegen aber in der Altmark.

Von Thomas Pusch

Stendal l Am 26. August 1945 wurde Rüdiger Löwe in der Altmark geboren. Fast hätte sein junges Leben dort auch dreieinhalb Jahre später schon geendet. "Ich hatte eine schwere Lungenentzündung und erkannte nicht einmal meine Mutter. Die Ärzte im Stendaler Kinderkrankenhaus gaben mir nur noch ein paar Tage", schildert er. Dann aber riet der Chefarzt Löwes Mutter, in den Westteil Berlins zu fahren. Die Amerikaner dort hätten Penicillin und das könnte helfen. Es half. Allerdings kostete es den damaligen Chefarzt auch seinen Job. "Der stellvertretende Chefarzt meldete der Parteileitung, dass er zur Kollaboration mit den Amerikanern, geraten hatte, das war zu viel", erzählt Löwe.

"Die wollten jemanden mit Zivilcourage, typisch amerikanisch."

Nicht nur wegen dieses dramatischen Ereignisses war Löwes Zeit in der Altmark nicht unbedingt rosig. Geboren wurde er in Alt-Bertkow, auf dem ehemaligen Rittergut. "Meine Eltern wurden enteignet und wir zogen nach Stapel bei Osterburg", schildert er seinen weiteren Lebensweg. Mit einem der letzten Luftbrückenflugzeuge flog die Familie 1949 von Berlin in den Westen Deutschlands, erst nach Lübeck, dann nach Bamberg, der Heimat von Löwes Mutter.

In die Altmark konnte er zu DDR-Zeiten nicht zurückkehren. Ein damaliger Bürgermeister hatte seinem Vater einen Brief geschrieben, der die Lust aufs Wiedersehen nicht gerade steigerte. Er freue sich auf die Wiedervereinigung, damit er ihn dann am nächsten Alleebaum aufknüpfen kann.

In der Altmark sieht Löwe aber nicht nur seine eigenen, sondern auch die Wurzeln seiner Verbindung zu Amerika, die mit dem Penicillin begann. Und ihn bis heute nicht losgelassen hat. Auf das Penicillin folgten die Micky-Maus-Hefte, die er seit ihrer ersten deutschen Ausgabe 1951 regelmäßig verschlungen hat. Bei einem Disney-Malwettbewerb unter dem Motto "Wie ich Amerika sehe" gewann der 13-jährige Rüdiger zwar nicht die Reise ins Disneyland, wurde aber Siebter und bekam einen Weltatlas im Ledereinband. "Da stimmt zwar keine Grenze mehr, aber ich habe ihn immer noch", sagt er lachend.

Seine nächste Chance in das Land seiner Träume zu kommen sah er als Politik- und Jurastudent in Form eines Stipendiums. Auf das Bewerbungsgespräch hatte er sich hervorragend vorbereitet, von den Hauptstädten der 50 Bundesstaaten bis zur Vorgeschichte des Vietnamkrieges alles Erdenkliche gelernt. "Und dann bekam ich die Frage gestellt, in welchem Baustil die Münchner Uni errichtet ist", erinnert er sich an das unfassbar Überraschende.

Diese Frage konnte und wollte er nicht beantworten. Sie hatte nichts mit dem zu tun, wofür er eine Zeitlang in den USA studieren wollte. Und das sagte er der Kommission, bestehend aus dem US-Konsul, einem Vertreter der Fullbright-Stiftung und einem Mitglied des Studentenrates, auch. Die restlichen Fragen drehten sich um die Vereinigten Staaten, doch Löwe hatte dennoch ein schlechtes Gefühl.

Aber er bekam den Zuschlag. Nicht zuletzt, weil er die völlig unsinnige Frage nicht beantwortet hatte. "Die wollten jemanden mit Zivilcourage, typisch amerikanisch", erklärt Löwe.

Im Rahmen seines USA-Aufenthaltes kam es bei der NATO-Studentenkonferenz an der Georgetown-Universität zu einer Begegnung, die sein Leben vielleicht nicht verändert, auf jeden Fall aber geprägt hat. Er sollte ein Referat über den deutschen Wunsch nach Wiedervereinigung und die Rolle der USA in Osteuropa halten. Die Gliederung bekam er vom dortigen "seminar chairman" vorgezeichnet, auch wichtige inhaltliche Tipps. Sein Name: William Jefferson Clinton. Der spätere US-Präsident vertrat schon im November 1967 die Meinung, dass sich die Menschen in der DDR irgendwann nicht mehr mit ihrem Lebensstandard zufriedengeben werden und es so zur Wiedervereinigung kommen wird.

"Von der Hallstein-Doktrin, die besagte, dass die Anerkennung der DDR als unfreundlicher Akt gegenüber der Bundesrepublik Deutschland anzusehen sei, hielt er nichts", fügt Löwe hinzu. Es war der Beginn einer bis heute währenden Freundschaft.

Bei einer Party lernten die beiden sich dann persönlich kennen. Mit "Where\'s the German guy", hatte sich Clinton zu ihm durchgefragt, um sich dann bei Löwe als derjenige vorzustellen, der das Konzept für das Referat entworfen hatte. "Macht es dir was aus, wenn wir nur deutsch sprechen", fragte er ihn. Eigentlich tat es das, Löwe hatte noch extra sein Englisch an der Berlitz School aufgefrischt. Doch er erfüllte Clinton den Wunsch. "Er ist ein ganz großer Deutschland-Freund", erklärt er.

Und so sah Clinton sich das Land bei zwei Besuchen Ende der 60er Jahre auch an. Sie fuhren an der Grenze entlang und der Mann aus Arkansas konnte kaum genug von den Eindrücken in sich aufsaugen. Enttäuscht war er, als die Menschen auf der anderen Seite nicht zurückwinkten. Schnell verstand er aber, dass die unter Beobachtung standen und sich möglicherweise Ärger eingehandelt hätten. "Wir waren von Anfang an auf einer Wellenlänge und tauschten uns auch über aktuelle politische Ereignisse aus", erzählt Löwe.

Auch als Clinton 1978 Gouverneur von Arkansas wurde, riss der Kontakt zwischen den beiden Männern nicht ab. "Oft rief er an, wenn seine Schwiegereltern, die Rodhams, abgereist waren und ich im Gästezimmer übernachten konnte", erinnert sich der Journalist, der zu jener Zeit noch in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei als Redenschreiber für Ministerpräsident Bernhard Vogel tätig war. 1981 kam er zum Bayerischen Rundfunk, zunächst als Chef vom Dienst, später war er Leiter verschiedener Redaktionen. "Trotz meiner leitenden Tätigkeit war es mir wichtig, kein Schreibtischtäter zu sein und eigene Sendungen zu haben", betont er.

"1994 wurde mein Urgroßvater 85, da war ich wieder in Bertkow."

Als Bill Clinton Präsident wurde, machte er seinem Freund auch ein Job-Angebot. "Er fragte mich, ob ich Koordinator für Amerikanisch-Europäische-Beziehungen werden wollte", erläutert Löwe. Doch er blieb in Bayern. Und die Kontakte der beiden Männer blieben intensiv. Rüdiger Löwe ist sogar einer von nur drei Deutschen, die in Clintons Memoiren erwähnt werden. Die anderen beiden sind Helmut Kohl und Gerhard Schröder.

Löwe brachte er mit seinen Erinnerungen an den Grenzzaun in Verbindung. Als dieser fiel, dauerte es auch nicht mehr lange, bis Löwe seiner alten Heimat einen Besuch abstattete. "1994 wurde mein Urgroßvater 85, da war ich wieder in Bertkow", nennt er den Anlass. Durch eine Vortragsreise mit der Konrad-Adenauer-Stiftung kam er 2008 wieder in die Altmark, sprach in Osterburg und Stendal, besuchte auch Bertkow. Und das will er wieder tun, wenn er in dieser Woche über die US-Wahlen spricht. "Dann setze ich mich ins Auto und fahre hin", kündigt er an.