Bürgergeldreform Fahimi warnt vor „völlig falschem Fokus“ auf Sozialkürzungen
„Wir kommen nicht dazu, über die wirklich wichtigen Fragen zu reden, weil sich alle ständig abarbeiten an sogenannten Sozialreformen“: Die DGB-Chefin geht mit der Bundesregierung hart ins Gericht.

Berlin - DGB-Chefin Yasmin Fahimi wirft der Bundesregierung wegen der Debatte über das Sozialsystem einen „völlig falschen Fokus“ vor und warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft. „Diese Debatten über sozialen Kahlschlag müssen aufhören“, sagte die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). „Wir sind mitten in einer der größten wirtschaftlichen Stagnationsphasen seit Dekaden, aber wir diskutieren vor allem über Bürgergeld und Kürzungen im Sozialsystem.“
Es werde so getan, als könnten von Kürzungen im Sozialstaat Wachstumsimpulse ausgehen. „Das ist nicht der Fall“, sagte Fahimi. „Wir kommen nicht dazu, über die wirklich wichtigen Fragen zu reden, weil sich alle ständig abarbeiten an sogenannten Sozialreformen, die angeblich nur dann gut sind, wenn sie möglichst schmerzhaft sind“, sagte sie dem RND.
Fahimi: Bedient Diskurse der extremen Rechten
Die frühere SPD-Generalsekretärin warnte, wenn der Fokus sozialer Reformen „immer wieder nur auf angeblich massenhaften Leistungsmissbrauch erfolgt, dann bedient man die Diskurse der extremen Rechten“. Weiter sagte sie: „Diese ewige Spaltung unserer Gesellschaft wird nur dazu führen, dass sich am Ende jene machtpolitisch durchsetzen, die dieses Land radikal umbauen wollen.“
Zur von der schwarz-roten Koalition vereinbarten Verschärfung beim Bürgergeld für Arbeitssuchende sagte Fahimi, natürlich müsse man jede Form von Betrug unterbinden. „Aber wir fokussieren uns auf ein Mini-Problem und pushen das zu einem Mega-Thema hoch, das weder volkswirtschaftlich relevant ist noch in der Frage der Sozialkosten. Es löst keines der Probleme, die wir eigentlich in diesem Land haben.“
„Politik, die an den Bedarfen der Menschen vollständig vorbeigeht“
Sie forderte dagegen unter anderem eine dauerhafte Stabilisierung des Rentenniveaus, eine aktive Industriepolitik sowie einen stärkeren Beitrag reicher Menschen über eine Vermögensteuer, eine gerechte Erbschaftsteuer und eine einmalige Vermögensabgabe. Es brauche eine bessere Forschungsförderung, mehr Investitionen in Infrastruktur und den Ausbau von Elektromobilität und erneuerbarer Energien. „Doch für diese Themen ist viel zu wenig Raum, weil es ständig ums Bürgergeld und Kürzungsdebatten geht. Das ist eine Politik, die an den Bedarfen der Menschen vollständig vorbeigeht“, kritisierte Fahimi.
Der Koalitionsausschuss mit den Spitzen von Union und SPD hatte sich in der Nacht zum Donnerstag auf eine große Reform des Bürgergelds geeinigt, das künftig nur Grundsicherung heißen soll. Die rund 5,5 Millionen Bezieher müssen sich auf verschärfte Mitwirkungspflichten und bei Missachtung auf schärfere Sanktionen einstellen. Wer Termine im Jobcenter wiederholt versäumt, dem sollen alle Leistungen gestrichen werden können. Das Bürgergeld hatte nach einer Reform der SPD-geführten Vorgängerregierung erst 2023 das Hartz-IV-System abgelöst.