Museum Kinder lernen Temperatur zu messen
Im thüringischen Geraberg wird Kindern in einem Museum die Temperaturmessung nahegebracht.
Geraberg l Die Kinder hören gebannt zu, mit leuchtenden Augen und neugierigem Staunen. Sie sind aufmerksam und spürbar interessiert, auch wenn das Thema „Thermometer“ ein wenig bieder klingt. Eine Röhre mit was drin, die mal mehr oder mal weniger anzeigt. Doch Carmen Rux, die Leiterin des Museums, erklärt, zeigt, demonstriert und macht ein wenig Show. Nur so kann sie Schulklassen für dieses spröde technische Thema begeistern.
Und sie hat eine Strategie: Sie weiß, welche Instrumente besonders bei den Jüngsten ankommen. „Ich fange gerne mit einem berühmten Nachbau von Galileo Galileis Luftthermoskop an, es ist das vermutlich erste Instrument, das die Veränderungen der Temperatur sichtbar gemacht hat. Es besteht aus engen Röhren und einer Glaskugel mit roter Flüssigkeit. Am anderen Ende gibt es ebenfalls eine Glaskugel.“
In wenigen Sekunden bewegt sich die Flüssigkeit langsam durch die Röhrchen, denn die Körpertemperatur der Hände erwärmt die Luft in der oberen Kugel, so dass die Flüssigkeit nach unten gedrückt wird. Ein Beispiel, das begeistert und spielerisch zeigt, was Temperatur bedeutet und wichtiger noch, was sie bewirkt. Bieder ist in dem Moment nichts. Das kleine Museum ist längst nicht nur eine andächtige Schau aus Tafeln, Vitrinen und Exponaten, sondern hat eben auch die spielerische Vermittlung von Wissen zum Ziel. Die neue, sehr detailreich gestaltete Dauerausstellung wurde im vergangenen Jahr eröffnet und soll damit auch neue Besucher in den kleinen Ort locken. Glas und Thüringen gehören eben zusammen, egal ob Christbaumschmuck, Glasaugen, Pharmaglas oder eben technisches Glas.
Thermometer mit Quecksilber gefüllt, das klingt zuerst nach alten Zeiten. Das Fiebermessen kommt da in Erinnerung oder die eigenwilligen Messgeräte bei den Großeltern auf der Terrasse. Doch das Messen der Temperatur ist längst nicht alles. Das erzählt auch Carmen Rux ihren jungen Besuchern. „Es gibt Barometer, um den Luftdruck zu messen, und Hygrometer, mit denen die Luftfeuchtigkeit angegeben wird. Das sind die drei meteorologischen Messinstrumente.“
Über alle drei und Dutzende weiterer Spezialmessgeräte – wie ein Ariometer zur Messung der Dichte von Flüssigkeit oder ein Hypsometer zur barometischen Höhenmessung - erfährt man im Deutschen Thermometermuseum in Geraberg allerhand Informatives. Das Museum ist eine wirkliche Besonderheit. Außer kleinen Kabinetten wie in dem berühmten Deutschen Museum in München gibt es europaweit nichts Vergleichbares. Mehr als 8000 Exponate umfasst die Thüringer Sammlung, allerdings werden nur rund 600 gezeigt. Der Platz reicht nicht für alle aus. Die Räume wurden nach Themen gestaltet, Schautafeln erinnern an die Bedeutung zahlreicher Wissenschaftler und erzählen eindrucksvolle Geschichten: Zum Beispiel, was der Ohmsche Widerstand mit der Messung von Temperatur zu tun hat. Oder wie ein Tiefsee-Kippthermometer funktioniert, das in Tiefen von bis zu 6000 Metern die Temperatur ermitteln soll.
Oder vom Magdeburger Meteorologen Richard Aßmann, der Anfang des 20. Jahrhunderts die Wetterkunde populär gemacht hat. Er gilt als Erfinder eines speziellen Hygrometers und Mitentdecker der Stratosphäre. Hunderte Thermometer hängen in den Museumsräumen. „Unvollkommen“ nannte ein französischer Forscher mal die Wärmemesser: „Man versteht nur das Thermometer, das man selbst mehrere Jahre verfolgt hat. Jedes andere bleibt unverständlich“. Auch das berühmte Goethe-Barometer darf in der Sammlung nicht fehlen.
Auf zwei Etagen gruppieren sich technische Gegenstände, die ebenso eigenwillig wie schön sind. Denn Thermometer konnten Schmuckstücke sein, in Elfenbein gefasst oder im Stile des Art Deco oder Jugendstils. Mit Grad „Celsius“ wurde 1742 eine Bezeichnung gefunden, die auf der ganzen Welt verbreitet ist. Fahrenheit ist die andere bekannte Messgröße. Die Réaumur-Temperaturskala war in Europa weit verbreitet, wurde aber nach und nach wegen der besseren Berechenbarkeit durch die Celsius-Skala abgelöst.
In Geraberg geht es noch weiter zurück. So zeigt eben der Nachbau des von Galileo Galilei um 1600 entworfenen Luftthermoskops den physikalischen Prozess, den Galilei damals schon erkannt hatte. „Wir erzählen mit unseren vielen Exponaten ganz verschiedene Geschichten rund um die Messungen von Temperatur, Luftdruck und Luftfeuchtigkeit“, erklärt Carmen Rux. „Entstanden ist das Museum, weil in und um Geraberg jahrzehntelang Thermometer produziert wurden. 1874 begann man hier im Zuge der Gründung der Thermometer- und Glasinstrumentenfabrik mit der Produktion von Fieberthermometern. 1925 gab es in Geraberg knapp 40 Betriebe, thüringenweit über 400. Auch zu DDR-Zeiten stand hier das zweitgrößte Thermometerwerk Europas. 1990 beschäftigte das Thermometerwerk Geraberg noch rund 2000 Menschen. Wir kennen nur wenige Thermometer, aber hier entstanden 45.000 unterschiedliche Sorten.“
Mit dem Niedergang der Thermometerindustrie in der Region wurde das Museum gegründet. Eine Initiative von Frauen – darunter Carmen Rux – entwickelte Ideen und langsam entstand am Ort mit Thermometerhistorie ganz folgerichtig ein Museum, das zwar immer noch ein museales Kleinod ist, aber dessen Besuch zu einer staunenden Entdeckungsreise wird. Noch heute spielt das Thema eine Rolle. Eine Firma vor Ort ist Weltmarktführer bei der Produktion quecksilberfreier Fieberthermometer.
Die Historie der Messinstrumente tiefergehend aufzuarbeiten, ist das langfristige Ziel von Carmen Rux, die seit der Gründung das Museum leitet und viel zu dem Erfolg in der Provinz beigetragen hat. „In den vergangenen Jahren haben wir größere Sammlungen erhalten, was uns wieder ein Stück weit vorangebracht hat. Zwei ältere Herren haben ihre umfangreichen Schätze nach Geraberg gebracht, eine weitere Sammlung ist noch eine Leihgabe, aber auch sie soll hier teilweise gezeigt werden.“
Am Thermometer hängt das Herz von Carmen Rux. Sie selbst arbeitete vor der Wende in Geraberg und war gelernte Thermometerschreiberin und für die Eichung der Geräte verantwortlich. Neben Lieblingsstücken und einzigartigen Exponaten hat das Museum noch einen wirklichen Coup gelandet: Ein original erhaltener Arbeitsplatz mit Blasebalg, Gebläselampe, Einbrennofen vermittelt einen Eindruck davon, wie mühsam es war, ein Thermometer herzustellen. Auf Anfrage führen der Thermometerbläser Roland Möller und die Thermometer-Schreiberin Helga Schneider vor, wie aufwändig so ein Präzisionsthermometer hergestellt wird. Besonders Kinder sind dann fasziniert.
Doch Carmen Rux will nicht nur in der Vergangenheit schwelgen. Sie schaut seit vielen Jahren nach vorne. Im modernen Anbau kommen Kinder an Mitmachobjekten auf ihre Kosten. Denn viele kennen eben nur das Thermometer, das Fieber oder eben die Außen- oder Innentemperatur misst. Auch im Autobau finden sich Messeinrichtungen. „Das sorgt dann für weiteres Staunen, wenn ich erzähle, dass in einem Auto mehr als 16 Messfühler angebracht sind. Die Reifenluft wird ebenso gemessen wie der Kraftstoff, die Kühlmittel, die Abgaswerte oder ganz klassische die Innen- und Außentemperatur.“