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neuregelung in schwimmbädern Neue Freizügigkeit: Mit nackten Brüsten ins Schwimmbad

Oben ohne dürfen sich im Schwimmbad meist nur Männer zeigen. In Göttingen hat sich das mit Anfang Mai geändert. Befürwortern der neuen Regelung geht es um weit mehr als um den Spaß am Nacktbaden.

02.05.2022, 13:09
In Göttinger Schwimmbädern kann seit Mai auch ohne Bikini geschwommen werden.
In Göttinger Schwimmbädern kann seit Mai auch ohne Bikini geschwommen werden. Foto: dpa/Symbol/Annette Riedl

Magdeburg/dpa - Nacktbaden hat in Deutschland Tradition. Ob auf Sylt, in Rostock oder am Chiemsee - sobald das Wetter es zulässt, lassen Menschen an FKK-Stränden ihre Hüllen fallen. Was draußen am Wasser vielerorts erlaubt ist, ist in den meisten Schwimmbädern laut Hausordnung verboten. Konkret heißt das: Die primären Geschlechtsmerkmale - Penis und Vulva - und die sekundären Geschlechtsmerkmale - die weibliche Brust - müssen bedeckt werden. In Göttingen gelten nun vorerst neue Regeln: Seit dem 1. Mai dürfen sich in den vier städtischen Schwimmbädern alle Menschen obenrum frei machen - allerdings nur samstags und sonntags.

Hausverbot wegen Oben-ohne-Badens?

Initiiert wurde die Neuregelung von Mina Berger und dem feministischen Göttinger Bündnis "Gleiche Brust für alle". Berger heißt eigentlich anders, möchte aber anonym bleiben. Auslöser war, dass Berger sich im August vergangenen Jahres in einem Göttinger Hallenschwimmbad das Bikini-Oberteil auszog. "Das hat sich gut angefühlt zu merken: Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich nicht dieses Oberteil an meinem Körper kleben habe." Berger bezeichnet sich selbst als non-binär, identifiziert sich also weder als Frau noch als Mann. Das Schwimmbad sah Berger jedoch als Frau und erteilte einen Schwimmbadverweis sowie ein Hausverbot wegen Oben-ohne-Badens.

Warum ist ein nackter Männeroberkörper okay, nackte Brüste aber nicht? Diese Frage stellen sich nicht nur Aktivistinnen und Aktivisten in Göttingen. Deutschlandweit gründen sich Bewegungen die ein Oben-ohne-Recht für alle Menschen fordern - zumindest für die Orte, an denen sich auch Männer mit nacktem Oberkörper zeigen dürfen. Sie fordern Geschlechtergerechtigkeit und die Entsexualisierung des weiblichen Körpers.

Großer Andrang in Göttinger Schwimmbädern

Schon im vergangenen Jahrhundert wurde Frauen per Regelung vorgeschrieben, wie sie sich beim Baden zu kleiden haben. Der sogenannte Zwickelerlass von 1932 besagte, dass Frauen nur dann öffentlich baden durften, wenn sie einen Badeanzug trugen, der Brust und Leib an der Vorderseite des Oberkörpers vollständig bedeckte und unter den Armen fest anlag. In den 50er und 60er Jahren gab es Bikini-Verbote in Bädern oder an Stränden, die erst im Zuge der Studentenbewegung und der damit einhergehenden sexuellen Befreiung aufgehoben wurden. 90 Jahre später fallen nun zumindest in Göttinger Bädern an Wochenenden (fast) alle Hüllen.

Schon am ersten Geltungstag habe er den Eindruck, dass "ungewöhnlich viele Badegäste" in die Bäder kommen, sagte Andreas Gruber, Geschäftsführer der Göttinger Sport und Freizeit GmbH, am Sonntag. Es gebe viel positives Feedback und von der Möglichkeit des Oben-ohne-Badens werde seinen Informationen zufolge auch Gebrauch gemacht. "Verständlicherweise aber eher zurückhaltend", sagte Gruber mit Blick auf das große öffentliche Interesse an der Entwicklung in Göttingen.

Die neue Regelung gilt vorerst bis Ende August. Berger und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter wollen dafür kämpfen, dass das Bikini-Oberteil auch danach wegbleiben darf.