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Europäische Weltraumorganisation beteiligt sich am Bau des amerikanischen Orion-Raumschiffs Großer Schritt für Europa, kleiner für die Welt

Von Uwe Seidenfaden 05.01.2013, 02:33

Europa wird sich am Bau des Raumschiffs Orion beteiligen. "Das ist wirklich ein Durchbruch", so Jean-Jacques Dordain, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Wer die Geschichte bislang vergeblicher Bemühungen kennt, in Europa ein Raumfahrzeug zu bauen, das Menschen in das All befördern kann, wird ihm zustimmen. Ein Durchbruch, ein großer Wurf gar, sieht allerdings anders aus.

Bemanntes Zubringerfahrzeug Hermes blieb eine Utopie

Schon vor mehr als 40 Jahren hatten Europas damalige Forschungsminister sich auf eine Strategie zur bemannten Raumfahrt verständigt. Sie bestand in einer Kombination aus einem Raumstationslabor im Erdorbit, einer freifliegenden unbemannten Forschungsplattform und dem bemannten Raumgleiter Hermes, der vier Raumfahrer zum Weltraumlabor und zur Forschungsplattform sowie zurück zur Erde bringen sollte. Das Weltraumlabor Columbus ist inzwischen realisiert, ebenso die unbemannte Erdbeobachtungsplattform Envisat. Das bemannte Zubringerfahrzeug Hermes blieb jedoch Utopie, da die Entwicklungskosten aus dem Ufer liefen.

Es war vor allem Frankreich, das danach eine bemannte Raumkapsel, in Größe und Form vergleichbar mit der Apollo-Kommandokapsel, favorisierte. Gebaut und im Erdorbit getestet wurde sie jedoch nur ein einziges Mal, im Oktober 1998. Im Konzept für den Bau der Internationalen Raumstation ISS war von einem bemannten europäischen Raumschiff dann nicht mehr die Rede. Den gesamten Crew-Transport sicherten sich die USA und Russland mit ihrem Space Shuttle und den Sojus-Schiffen. Die Entwicklung eines amerikanisch-europäischen Rettungsraumschiffs für sechs ISS-Astronauten wurde wegen Budgetproblemen gestoppt.

Europa und Japan konzentrierten sich auf den Bau unbemannter Transporter, die Wasser, Treibstoffe, Nahrung und andere Güter zur ISS bringen. Danach verglühen sie in der Erdatmosphäre. Im Gegenzug erhielten europäische Astronauten Mitflugrechte im Shuttle und in der Sojus. Im Jahr 2015 wird der letzte vertragsmäßig vereinbarte europäische Raumtransporter starten. Mit welchen Leistungen sich Europa danach am bis 2020 geplanten Orbitalbetrieb der ISS beteiligt, muss neu verhandelt werden. Bezahlt wird gewöhnlich nicht mit Geld, sondern mit einer technischen Gegenleistung, an der auch die anderen Vertragspartner Interesse haben.

Eine Kooperation beim Bau des amerikanischen Raumschiffs Orion ist möglicherweise die Lösung. Die NASA arbeitet daran schon seit sieben Jahren. "Orion" ist eine mehrfach wiederverwendbare Raumkapsel, die auch für Flüge zum Mond und zu erdnahen Kleinplaneten eingesetzt werden soll. Das Raumschiff war Bestandteil eines von Ex-Präsidenten George W. Bush verkündeten Programms, das den Aufbau einer dauerhaft von Menschen besetzten Forschungsbasis am Mondsüdpol zum Ziel hatte. Im Frühjahr 2010 vollzog Bushs Nachfolger Barack Obama einen Kurswechsel. Er strich das Mondflugprogramm, ließ die Entwicklung des Raumschiffs Orion aber auf finanzieller Sparflamme weiterlaufen.

Die ESA will Technik im Wert von 320 Millionen Euro beisteuern

Wenn die ESA sich jetzt mit ihrem Know-how an "Orion" beteiligen will, kann das der NASA nur recht sein. Technik im Wert von 320 Millionen Euro will die ESA für Bau und Flug eines ersten Orion-Testraumschiffs beisteuern. Gedacht ist dabei in erster Linie an das Antriebs- und Energieversorgungssystem - eine Weiterentwicklung des unbemannten europäischen Transporters ATV.

Die ESA sichert mit dem Bau der Orion-Testkapsel weitere Mitflüge von Astronauten zur Internationalen Raumstation bis zum Jahr 2020. Ein eigenes bemanntes Raumschiff hat Europa damit allerdings noch nicht. Und es ist ungewiss, ob die NASA nach dem ersten unbemannten Testflug des Orion-Raumschiffs noch eine weitere Teilhabe Europas an bemannten Orion-Flügen wünscht.