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Nahost-Konflikt Hinweise auf Boeing-Abschuss

Im Iran-Konflikt stehen die Zeichen vorerst auf Entspannung. Doch ein Hinweis auf die abgestürzte Boeing bei Teheran sorgt für Wirbel.

09.01.2020, 23:01

Washington/Teheran/Berlin (dpa) l Nach dem Flugzeugabsturz bei Teheran gibt es Hinweise auf einen versehentlichen Abschuss durch den Iran. Die ukrainische Passagiermaschine mit 176 Menschen an Bord war abgestürzt, kurz nachdem der Iran zwei von US-Soldaten genutzte Stützpunkte im Irak angegriffen hatte. Nach übereinstimmenden US-Medienberichten vom Donnerstag könnte das Flugzeug nach Angaben amerikanischer Regierungsbeamter von einer iranischen Flugabwehrrakete getroffen worden sein. Im Konflikt zwischen den USA und dem Iran standen die Zeichen nach den gezielten Militärschlägen vorerst auf Entspannung.

Das Flugzeug war am Mittwochmorgen auf dem Weg von Teheran nach Kiew kurz nach dem Start abgestürzt. Der Iran hatte Spekulationen über einen Abschuss zurückgewiesen – die iranischen Behörden bekräftigten am Donnerstag, dass eine technische Ursache zu der Katastrophe geführt habe. „Wegen eines technischen Defekts hat die Maschine Feuer gefangen, und dies führte zum Absturz“, sagte Verkehrs- und Transportminister Mohammed Eslami der Nachrichtenagentur Isna.

Zur Begründung der Annahme, dass die Maschine abgeschossen worden sein könnte, führte der Sender CBS an, dass US-Geheimdienste Signale von einem Radar empfangen hätten, das eingeschaltet worden sei. US-Satelliten hätten außerdem den Start von zwei Boden-Luft-Raketen kurz vor der Explosion des Flugzeugs entdeckt. Der Sender CNN meldete unter Berufung auf mehrere US-Behördenvertreter, man gehe zunehmend von einem versehentlichen Abschuss durch den Iran aus. Dieser „Arbeitstheorie“ lägen die Analyse von Satelliten-, Radar- und anderen elektronischen Daten zugrunde, die routinemäßig vom Militär und den Geheimdiensten der USA gesammelt würden.

Die Ukraine schließt einen Raketenangriff oder einen Terroranschlag als Ursache nicht aus. Kiew schickte eigene Experten in den Iran. Das US-Außenministerium forderte eine „umfassende Zusammenarbeit“ bei der Untersuchung zur Absturzursache. Der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, bezeichnete einen Abschuss als „wissenschaftlich unmöglich“ und verwies darauf, dass zur Zeit des Absturzes auch andere Maschinen im iranischen Luftraum unterwegs gewesen seien. US-Präsident Donald Trump heizte Mutmaßungen über die Absturzursache mit unspezifischen Äußerungen an. „Ich habe meinen Verdacht“, sagte er im Weißen Haus. „Ich will das nicht sagen, weil andere Menschen auch diesen Verdacht haben. Es ist eine tragische Angelegenheit.“ Trump sagte weiter: „Jemand könnte einen Fehler gemacht haben.“ Auf die Frage, ob die Maschine aus Versehen abgeschossen worden sein könnte, sagte er allerdings: „Das weiß ich wirklich nicht.“

Die Lage am Persischen Golf war eskaliert, nachdem die USA den iranischen Top-General Ghassem Soleimani Ende vergangener Woche in Bagdad gezielt getötet hatten. Der Iran hatte in der Nacht zum Mittwoch mit einem – angekündigten – Angriff auf zwei von den USA genutzte Militärbasen im Irak geantwortet. Danach hatten Trump und Irans Präsident Hassan Ruhani angekündigt, den Konflikt zunächst auf politischer Ebene führen zu wollen. Ruhani warnte aber am Donnerstag: „Falls die Amerikaner einen weiteren Fehler begehen sollten, werden sie eine sehr gefährliche Antwort des Irans erhalten.“

Trump hatte als Antwort auf den Vergeltungsschlag weitere Wirtschaftssanktionen gegen den Iran in Aussicht gestellt. Am Donnerstag sagte der US-Präsident, bestehende Sanktionen seien bereits verschärft worden, und kündigte an, dass es dazu noch eine Bekanntmachung geben werde. Er verteidigte die umstrittene Tötung des Top-Generals. „Wir haben ein totales Monster erwischt und ihn getötet und das hätte schon vor langer Zeit passieren sollen.“ Soleimani habe vorgehabt, die US-Botschaft in Bagdad in die Luft zu jagen.

Washington hatte nach dem Drohnenangriff erklärt, der Chef der Al-Kuds-Einheiten habe Angriffe auf US-Bürger geplant. Nähere Informationen wurden dazu nicht öffentlich. Soleimani war der wichtigste Vertreter des iranischen Militärs im Ausland. Führende US-Demokraten zweifeln an der Darstellung der Regierung.

Nach den gezielten Militärschlägen zeichnete sich vorerst keine weitere Eskalation ab. „Wir sind bereit für ernsthafte Verhandlungen mit dem Iran ohne Vorbedingungen“, schrieb die amerikanische UN-Botschafterin Kelly Craft an den UN-Sicherheitsrat. Ziel müsse sein, eine weitere Gefährdung des Friedens sowie eine weitere Eskalation durch den Iran zu verhindern. Falls die Situation in Nahost es erfordere, seien die USA vorbereitet, „zusätzliche Maßnahmen“ zu ergreifen, um Amerikaner in der Region zu schützen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hält die Lage weiter für unberechenbar.