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Freisbach Leere Kassen: Gesamter Gemeinderat wirft hin

Lokalpolitiker in Freisbach protestieren gegen finanzielle Auszehrung der Kommunen durch Bund und Land

Von Uwe Kreißig 11.08.2023, 21:56
Freisbachs Bürgermeister Peter Gauweiler (parteilos) schmeißt hin.
Freisbachs Bürgermeister Peter Gauweiler (parteilos) schmeißt hin. Foto: dpa

Aus Protest gegen die Finanzpolitik in Rheinland-Pfalz haben Gemeinderat und Ortsbürgermeister im südpfälzischen Freisbach im Landkreis Germersheim geschlossen ihren Rücktritt erklärt. Bei einer Sitzung in der Kommune, die rund 1200 Einwohner hat, übergaben alle 16 Ratsmitglieder dem ehrenamtlichen Ortsbürgermeister Peter Gauweiler am Dienstagabend den schriftlichen Verzicht auf ihr Mandat. Der Vorgang sei einmalig in der Geschichte des Landes, so das Portal „Focus online“. Auch der parteilose Gauweiler selbst erklärte seinen Rücktritt.

Ortsbürgermeister und Ratsmitglieder kritisieren, dass die Gemeinde aufgrund des neuen Landesfinanzausgleichsgesetzes und der Neuausrichtung der Kommunalaufsicht durch das Land Rheinland-Pfalz keine Haushaltsgenehmigung erhalte. „Wir treten zurück, weil wir den Auftrag der Wähler nicht mehr ausführen können“, sagte Gauweiler: „Wenn wir nichts entscheiden dürfen und als Ehrenamtler nur rumsitzen, brauchen wir keinen Gemeinderat.“

Die Gemeinde stehe vor großen Herausforderungen, darunter einer Legionellengefahr in der Sporthalle, Überbelegung in der Kindertagesstätte und eine leere Haushaltskasse. Dennoch solle die Gemeinde weiter sparen, berichtet „Focus online“.

„Das Innenministerium hat sich öffentlich dahingehend geäußert, dass die Gemeinde Freisbach über ausreichende Mittel verfügen würde – dies ist jedoch nicht der Fall“, so Gauweiler und ergänzte: „Wir haben rund 1,2 Millionen eigene Steuereinnahmen, davon gehen knapp eine Million ab wegen der Verbandsgemeindeumlage und Kreisumlage. Der Kindergarten in unserer Gemeinde kostet uns alleine 380 000 Euro im Jahr – damit können wir keinen ausgeglichenen Haushalt vorlegen.“ Aus seiner Sicht gäbe es über 1000 Gemeinden in Rheinland-Pfalz, die in einer ähnlichen Situation sind.

Landrat Fritz Brechtel vom Kreis Germersheim sprach von einem „für Rheinland-Pfalz einmaligen Vorgehen“. Allerdings habe er „vollstes Verständnis für diesen drastischen Schritt“, sagte der CDU-Politiker. Die neuen Vorgaben der Landesregierung aus SPD, Grüne und FDP seien „zu dogmatisch und nicht zu Ende gedacht“. Durch das neue Kitagesetz hätten Gemeinden beispielsweise „drastisch erhöhte finanzielle Ausgaben“. Gleiches gelte für viele andere Aufgabenbereiche, wie das öffentliche Verkehrsnetz oder die Integration von Asylbewerbern. Dabei müsse der Leitsatz gelten: „Das Geld folgt der Aufgabe“, so Bechtel zur „Tagesschau online“.

Auch nach Brechtels Einschätzung seien viele Kommunen in Rheinland-Pfalz in ähnlich finanziell desolater Lage.

Aus dem SPD-geführten Innenministerium hieß es, allein in diesem Jahr sei der kommunale Finanzausgleich um mehr als 350 Millionen Euro angewachsen. Das Land werde kommunale Liquiditätskredite in einem Gesamtvolumen von drei Milliarden Euro übernehmen, über die Hälfte des Bestandes an Liquiditätskrediten der Kommunen insgesamt, betonte man aus dem Ministerium.

Inzwischen werden im Ort die möglichen Nachrücker für den Rat angeschrieben, berichtete „Tagesschau online“ gestern. An den finanziellen Realititäten der Gemeindekasse werden diese aber vermutlich wenig ändern können. (mit dpa)