Fake News Wahrheit oder Lüge?

Experten aus Politik und Medien diskutieren in Halle über die Folgen zunehmender Falschmeldungen im Internet.

01.11.2017, 23:01

Halle l Stimmt es wirklich? Ist das wahr? Es war im Oktober 2015, als ein schier unglaubliches Gerücht in Sachsen-Anhalt die Runde machte: In der Zentralen Aufnahmestelle für Flüchtlinge in Halberstadt soll die Cholera ausgebrochen sein. Über das Internet, besonders über Facebook, verbreitete sich die vermeintliche Nachricht schnell – so rasant, dass die Volksstimme nicht daran vorbeikam, den Vorgängen intensiv nachzugehen und mit einem Bericht auf der Titelseite klarzustellen, dass das Cholera-Gerücht eine Falschmeldung („Fake News“) ist.

„Das ist ein völlig neues Phänomen“, sagte Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters bei einer Podiumsdiskussion der Medienanstalt Sachsen-Anhalt in Halle am Mittwoch. Seit der Flüchtlingskrise gebe es in den sozialen Netzwerken vermehrt bewusste Falschmeldungen, mit denen die Medien konfrontiert seien.

Der Psychoanalytiker Hans-Joachim Maaz glaubt, dass die Medien ihren Anteil daran haben, dass es überhaupt Fake News gibt. „Es wird einseitig informiert“, kritisierte er die Medien. Die Berichte seien „zu regierungsnah“. „Wo wird das Gute an Trump thematisiert? An Ungarn? An Polen? An der AfD?“ Weil das ausbleiben würde, wären die Menschen anfälliger, Lügen zu glauben, meint Maaz.

Diese Kritik wies die Publizistin Liane Bednarz entschieden zurück. „Die AfD ist eine Partei, die sich fortlaufend radikalisiert, die Menschen diffamiert. Ungarn driftet ab in ein autoritäres Regime. Da kann man nicht erwarten, das gutzuheißen.“ Entscheidend sei die Medienkompetenz, um Fake News als solche erkennen zu können. „Medienkompetenz sollte früh vermittelt werden. Bereits Schüler sollten wissen, was eine seriöse Quelle ist und dass man am besten immer noch eine zweite oder dritte Quelle zur Information nutzt.“

Der Verleger und Ex-Chefredakteur der Zeitung Die Welt, Wolfram Weimer, rückte die Folgen von Fake News in den Vordergrund. Weimer glaubt, dass die politische Kultur und die Meinungsfreiheit in Deutschland in Gefahr sind.

Der Grund: Das „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“, welches die Große Koalition beschlossen hat, um Falschmeldungen entgegen zu wirken. Das Gesetz verpflichtet Betreiber sozialer Netzwerke ab Januar, heikle Inhalte wie Verleumdungen innerhalb von 24 Stunden nach Beschwerdeeingang zu löschen. Dass eine solche Beschränkung grundsätzlich sinnvoll ist, da waren sich die Diskutanten einig. Doch was gilt als heikel? Weimer geht das zu weit. „Man ist Ermittler, Richter und Henker in einem“, kritisierte er.

Ein Beispiel: Die Tageszeitungen veröffentlichen bei Facebook pro Tag mehrere Artikel auf ihrem Profil, die die Nutzer kommentieren können. Weimer vermutet, dass das rigide Gesetz die Medien dazu verleiten wird, wegen der hohen Bußgeldandrohung viele Meinungsäußerungen „präventiv zu löschen“. „Da werden auch Dinge dabei sein, wo man nur meint, sie könnten problematisch sein oder weil man Angst vor Gerichtskosten hat. Das ist ein Schritt in die Republik der Selbstzension“, sagte er.

„Bisher wird auch das objektiv Falsche toleriert“, so Weimer. Im Zweifel müsse die Meinungsfreiheit immer Vorrang haben. „Freiheit ist immer die des anders Denkenden und sogar die des völlig Falschdenkenden“, warnt er. Weimer appellierte an die mögliche, neue schwarz-gelb-grüne Bundesregierung, das Gesetz noch zu kippen.

Sachsen-Anhalts Medienminister Rainer Robra (CDU) räumte ein, dass CDU und SPD das Gesetz nicht so schnell hätten beschließen sollen. Grundsätzlich seien die Betreiber sozialer Netzwerke wie Facebook jedoch in der Pflicht, „ein ethisches Minimum zu bewahren“.

Volksstimme-Chefredakteur Alois Kösters stellte klar, dass das bereits geschieht. Mittels einer Software werden Hass-Kommentare zum Teil schon jetzt automatisch gelöscht. Kösters sagte: „Bei manchen Artikeln zu Flüchtlingen oder Islamismus wird die Kommentarfunktion auch gesperrt, weil eine Flut von unangemessenen Äußerungen eine echte Debatte verhindert. Als Medien achten wir sehr darauf, was auf unseren Plattformen gepostet wird.“