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ForstwirtschaftAuf den Spuren des Walds der Zukunft

Nach dem Wunsch einiger Forstwissenschaftler stehen bald Bäume wie die Libanon-Zeder neben Buchen und Fichten. Denn Dürre und Schädlinge machen deutschen Wäldern zu schaffen.

Von Felix Schröder, dpa 23.04.2021, 05:38
Ein Waldstück mit abgestorbenen Fichten an den Hängen des Brockens. Die Nadelbäume sind vom Borkenkäfer befallen, dazwischen noch grüne Nadelbäume.
Ein Waldstück mit abgestorbenen Fichten an den Hängen des Brockens. Die Nadelbäume sind vom Borkenkäfer befallen, dazwischen noch grüne Nadelbäume. Klaus-Dietmar Gabbert/dpa-Zentralbild/dpa

Eberswalde/Göttingen

Die Dürrephasen der jüngeren Vergangenheit machen deutschen Wäldern zu schaffen: Die Fichte wird vielerorts vom Borkenkäfer niedergerungen.

Und auch der lange als recht widerstandsfähig angesehenen Buche bekommen Trockenheit und Hitze nicht gut. Zum Tag des Baumes am kommenden Sonntag (25. April) geht es auch um die Frage nach dem Wald der Zukunft.

Die Nordwestdeutsche Forstliche Versuchsanstalt in Göttingen sieht in einem deutlich artenreicheren Wald eine Lösung. Leiter Thomas Böckmann spricht von klimastabilen Mischwäldern. Baumarten, die viel Wasser benötigen, werden es künftig schwer haben. „Es wird einen Wald geben, aber welche genauen Folgen der Klimawandel haben wird, kann niemand prognostizieren“, sagt Böckmann.

Seit 1984 analysieren Forscher im Waldzustandsbericht mit stichprobenartigen Untersuchungen den Nadel- und Blattbehang. Die Ergebnisse für das vergangene Jahr gehören zu den schlechtesten seit Beginn der Erfassungen. 2019 und 2020 sei die Sterberate der Bäume im Vergleich zu den Vorjahren „deutlich höher geworden“.

Die vielen nach dem Zweiten Weltkrieg entstandenen Monokulturen begünstigen Sturmschäden, Schädlinge und nährstoffarme Böden. Laut Bericht ist etwa bei der Fichte der Anteil deutlicher Kronenverlichtungen von 36 auf 44 Prozent gestiegen.

Im Sauerland und dem Harz befinden sich riesige Brachflächen, weil die vom Borkenkäfer befallenen Fichten gefällt wurden. Eigentlich werden viele dieser Eindringlinge im Harz des Baumes ertränkt. Durch das fehlende Wasser aber sinkt der Harzdruck und die Abwehr versagt. „Die Fichte kann sich einfach nicht mehr verteidigen“, sagt Andreas Bolte, Leiter des Thünen-Instituts für Waldökosysteme in Eberswalde. Die meisten Forstwirte haben die Fichte aufgegeben. „Ich gehe davon aus, dass die Fichte aus den Tieflagen und unteren und mittleren Berglagen verschwinden wird“, sagt Bolte.

Wasserressourcen sind laut Bolte entscheidend, weil die Vorräte sich durch vergangene Trockenjahre nicht auffüllen konnten. Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde, plädiert für einen stärkeren Blick auf die Böden. Die aktuell entstehenden Kahlschlagflächen seien problematisch, da sie sich durch den fehlenden Schutz der Bäume noch stärker erwärmen könnten, was das Aufwachsen neuer Bäume erschwere. Zusätzlich schädigten große Erntemaschinen die Böden.

Ibisch plädiert dafür, das Fichtenholz nicht direkt aus dem Wald zu entfernen und für wenig Geld zu verkaufen. Es sei besser, das Totholz zu Humus werden zu lassen. Das schütze den Boden vor Sonne und halte ihn stabil. Es ärgere ihn oft, dass zu wenig über den Zustand der Böden diskutiert werde: „Wald besteht nicht nur aus Bäumen, sondern aus vielen kleinen und großen Organismen.“

Die Buche galt bis vor kurzem noch als recht klimawandelbeständig. Mittlerweile leidet auch sie an Hitzeschäden. Der Tübinger Stadtförster Thomas Englisch beobachtet, wie die Baumkronen der Buchen durch die Dürrephasen kahler werden. Ihm zufolge trocknen sie von oben herab aus. Blätter fielen, die Rinde platze, der Baum sterbe ab. Vor vier Jahren habe er solche Schäden noch nicht in diesem Ausmaß beobachtet, sagt Englisch.

Es ist schwer vorstellbar, dass bald neben Buchen Libanon-Zedern stehen. Doch Forstwirtschaftler prüfen die Verwendung dieser und anderer hitzebeständiger Baumarten. Ibisch hält Prognosen für schwierig, da der Klimawandel nicht linear verlaufe, sondern sich beschleunige. „Es ist nicht so, dass wir in 20 Jahren ein kalifornisches Klima haben; eher wird es ein völlig neuartiges Klima sein, das sich auf lange Zeit weiter wandelt.“ Es sei richtig, die Ökosysteme im Wald so zu unterstützen, dass sie dem Wandel möglichst lange standhalten. „Es ist jetzt unsere Aufgabe, dass unsere Landschaft so kühl wie möglich bleibt.“

Andreas Bolte vom Thünen-Institut empfiehlt, wärmeliebende Arten wie Pflaumeneichen und Buchenarten aus Südfrankreich genauer anzusehen. „Es wird insgesamt eine größere Vielfalt an Baumarten geben.“ Bloß nicht nach einem „Superbaum suchen“, sagt er, aber man dürfe den Wald auch nicht nur sich selbst überlassen. „Wir kommen in ein neues Zeitalter des Ausprobierens.“

Der deutsche Forstverein macht sich für Mischwälder stark. Geschäftsführerin Lena Schröcker hält exotische Zuwächse aber für Ausnahmen. „Ich gehe davon aus, dass fremde Baumarten kommen, sie aber Ergänzungen bleiben werden.“ Sie schlägt vor, Bäume aus bereits wärmeren Regionen Deutschlands in kühleren Gebieten anzusiedeln.

Wie sehen junge Forstwirte den Wald der Zukunft? Die Forststudenten Felix Sahlmann und Jan Hüsing betreiben das Projekt „Forsterklärt“ - damit wollen sie Begeisterung für den Wald wecken. Sie fordern, verschiedene Baumarten in verschiedenen Altersklassen zu pflanzen. So mindere man das Risiko für Schäden, sagen die jungen Forstwirte. „Wir wissen aber auch nicht genau, wie die Zukunft aussieht“, sagt Hüsing.