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Majoran Die Kräuterkammer Europas

Auf Feldern rund um Aschersleben wächst seit 1890 Majoran. In diesem Jahr fällt die Ernte wohl so schlecht aus wie seit vielen Jahren nicht.

04.09.2016, 23:01

Aschersleben l Wenn Jörg Overkamp durch die Fußgängerzone in Aschersleben (Salzlandkreis) geht, drehen sich die Menschen schon mal nach ihm um. „Die Leute riechen, wo ich arbeite“, sagt der 62 Jahre alte Agraringenieur. Overkamp ist Geschäftsführer des Majoranwerks Aschersleben (Mawea) und arbeitet im größten zusammen- hängenden Anbaugebiet für das Gewürzkraut in ganz Europa. Der Landstrich deckt nahezu den gesamten deutschen Bedarf. Auf 450 Hektar Agrarfläche wächst Majoran in der Region. Mawea aus Aschersleben ist Marktführer, ein kleinerer Wettbewerber sitzt nur wenige Kilometer entfernt in Cochstedt.

Der Börde-Acker ist bereits seit 1890 Heimat des würzig-milden Krauts. Damals entdeckte ein Ascherslebener Kaufmann die Vorzüge der Erde in der Region. Bis heute hat sich nichts daran geändert. „Der fruchtbare Boden und der geringe Niederschlag schaffen nicht nur gute Bedingungen für das Wachstum der Pflanzen sondern auch für die Ausbildung der Inhaltsstoffe“, erklärt Jörg Overkamp. Der Majoran aus Sachsen-Anhalt habe einen höheren Anteil an ätherischem Öl sowie an Gerb- und Bitterstoffen als außereuropäische Konkurrenten. Mawea beliefert in Deutschland rund 140 Großbetriebe, größtenteils Gewürzhändler sowie Fleisch- und Wurstwarenhersteller. Auch die Bratwurstfabrik des ehemaligen Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß ist einer der Kunden des Majoranwerks in Aschersleben.

In diesem Jahr häufen sich auf der Stirn von Jörg Overkamp allerdings die Sorgenfalten. Auch wenn die Majoranpflanze kaum Wasser benötigt, ein wenig mehr Regen, als in den vergangenen Monaten gefallen ist, hätte gut getan, sagt der Experte. Hinzu kommen die hohen Temperaturen der letzten Wochen. Seit 38 Jahren baut Overkamp das Kraut an. 1998 fing er bei Mawea als Anbauberater an. 2009 wurde er Geschäftsführer. Mit Ausblick auf die Ernte, die noch bis Ende September andauern wird, sagt er: „Ich kann mich an kein komplizierteres Jahr erinnern. Das wird eine schlechte Ernte.“ Doch Overkamp hat vorgesorgt. Jedes Jahr wird überschüssiges Kraut in einer Halle eingelagert. „Etwa 40 Prozent des Jahresbedarfs sind durch Lagervorhaltung abgesichert“, sagt der Geschäftsführer.

Doch was ist mit den Landwirten, die als Vertragspartner für Mawea den Majoran anbauen? Mit 27 Betrieben arbeitet Overkamp zusammen, viele sind seit Jahrzehnten Partner des Werks. Für die Höfe ist der Majoran-Anbau ein Bonus-Geschäft. Ihre Haupterträge fahren die Landwirte mit anderen Pflanzen ein. Overkamp hofft im kommenden Jahr wieder auf besseres Wetter. 2017 will er wieder mehr Majoran anbauen lassen, um den Teilausfall der Ernte in diesem Jahr ausgleichen zu können.

Für die Landwirte in der Region um Aschersleben ist der Anbau des Gewürzkrauts für gewöhnlich ein lohnendes Geschäft. Die Preise sind seit Jahren stabil. Für eine Tonne Getreide bekommen die Farmer derzeit etwa 140 Euro, für Majoran ist locker das Doppelte möglich, sagt ein Branchenkenner.

Im Ascherslebener Werk wird das Kraut veredelt. Vier Tage lang wird der Majoran bei 40 Grad in einer Halle getrocknet, später gerebelt und gesiebt, dann in Zehn-Kilogramm-Säcke verfüllt. Im hauseigenen Labor wird jede Produktionscharge untersucht. Erst danach wird an den Kunden geliefert.

Der hohe Standard hat seinen Preis. „Wir sind der Mercedes im Kräutergeschäft, in Qualität und Preis“, verspricht Jörg Overkamp. Im internationalen Geschäft ist Ägypten der größte Majoranlieferant. Doch die Ägypter kommen an den Geschmack des Gewürzkrauts aus Sachsen-Anhalt nicht heran. Deswegen ist der Majoran aus dem Land der Pharaonen deutlich günstiger.

In Aschersleben werden auch andere Kräuter wie Oregano, Thymian, Rosmarin, Basilikum oder Petersilie angebaut. Rund 700 Tonnen Kräuter erntet Mawea jedes Jahr. Hinzu kommen Anbauflächen in Bayern, Bulgarien, Moldawien und Tschechien. 17 Mitarbeiter sind für Mawea tätig. Der Jahresumsatz beträgt etwa fünf Millionen Euro.