Migration Die Mär vom Flüchtling als Fachkraft
Können Flüchtlinge dem Fachkräftemangel abhelfen? Das funktioniert nur auf lange Sicht, eines Eingliederungsprojekt zeigt.
Magdeburg l Die Eingliederung von Flüchtlingen und Migranten in den Arbeitsmarkt nennt Larissa Heitzmann ihr „tägliches Brot“. Seit Jahren ist sie in diesem Metier als Koordinatorin beim Projekt „Jobbrücke plus“ in Magdeburg engangiert. Seit 2010 hätten mehr als 300 Erwachsene über dieses Programm in den 1. Arbeitsmarkt vermittelt werden können, knapp 50 Jugendlichen sei der Weg in eine berufliche Ausbildung geebnet worden.
Das geht nicht im Hauruckverfahren, wie bisweilen von Politikern suggeriert, die auf diese Weise rasch die Fachkräfte-Lücken glauben schließen zu können. Larissa Heitzmann nennt aus ihrer Erfahrung Fristen von zwei bis fünf Jahren für einen erfolgversprechenden beruflichen Start von Flüchtlingen in der Bundesrepublik. „Sofort neue Fachkräfte zur Verfügung zu haben – das ist zu kurz geschlossen.“
Der Fahrplan bei der „Jobbrücke“ sieht so aus: Zunächst muss Sicherheit beim Aufenthaltstitel bestehen, dann werden mit einem vierseitigen „Profiling-Bogen“ sozialer Hintergrund und berufliche Kenntnisse erfasst – soweit vorhanden. In Zusammenarbeit mit Arbeitsagentur und Jobcenter werden dann Möglichkeiten der Qualifizierung und günstigstenfalls Arbeitsangebote gesucht.
Nur selten geht das reibungslos: „Kein Migrant wird von Montag auf Dienstag mit deutschen Tugenden aufwachen“, sagt Larissa Heitzmann. „Wir wollen darauf hinzuwirken, dass Unternehmen Migranten aufnehmen und die Bereitschaft besteht, miteinander schwierige Phasen zu überstehen.“
Ein weiteres Hindernis für die berufliche Eingliederung sei das schlechte Image Sachsen-Anhalts. Viele Flüchtlinge gingen lieber in Städte und Regionen, in denen bereits Familienangehörige lebten oder eine Community existiere.
Rückschläge können sich auch ergeben, wenn die Behörden ihr Veto einlegen. Wie im Fall eines 19-jährigen Afghanen, der 2013 nach Deutschland kam und schon auf dem besten Weg zur Integration schien. Der junge Mann, der inzwischen über nachgewiesene Deutschkenntnisse verfügt, absolvierte bei einem Finanzdienstler in Stendal ein Praktikum. Dort war man mit ihm zufrieden und wandte sich an die Ausländerbehörde mit der Bitte, dem jungen Mann den beantragten Aufenthaltstitel zu gewähren. Als Voraussetzung , um ihm die bereits vereinbarte Ausbildung zum Versicherungskaufmann zu ermöglichen.
Es kam allerdings anders: Die Behörde prüft immer noch, schließlich wird Afghanistan von der Bundesregierung inzwischen wie ein sicherer Drittstaat behandelt. Dem 19-Jährigen wurde nach seiner Probezeit gekündigt. Durch die Bemühungen der „Jobbrücke“ konnte er an ein Unternehmen in Magdeburg vermittelt werden. Im Mai will der Afghane seinen Hauptschulabschluss an der Volkshochschule ablegen, eine Ausbildung zum Bürokaufmann steht in Aussicht.
Die Voraussetzungen bei den Neuankömmlingen seien sehr unterschiedlich, erklärt die Projektkoordinatorin. Von 2008 hätten Roma vom Balkan das Gros ausgemacht, mit einer Analphabetenquote von rund 90 Prozent. Seit 2013 kämen verstärkt Flüchtlinge aus Syrien oder Afghanistan. Anfangs seien darunter viele Hochqualifizierte gewesen, seit 2015 habe sich das Bildungsniveau stark abgeflacht.
Heitzmann verweist auf Sprachkenntnisse als Schlüssel für jede Integration. Dabei müsse allgemeines Deutsch mit Fachdeutsch verbunden werden, wozu die Flüchtlinge schnell in Praktika gebracht werden müssten. Wenn sie motiviert seien und Unternehmen sowie Behörden mitziehen würden, dann könne die Integration gelingen, sagt Larissa Heitzmann.
Wie bei Josef Omar, einem Christen aus Syrien. Er kam 2010 nach Magdeburg und lernte hier Deutsch und das Friseurhandwerk. Nun absolviert er die Meisterschule. Ein eigener Salon ist das große Ziel.