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Supermärkte Edeka kann Kaiser's übernehmen

Im Streit um Kaiser's Tengelmann scheint die Sicherung von rund 15.000 Arbeitsplätzen möglich. Noch sind jedoch einige Hürden zu nehmen.

31.10.2016, 17:49

Mülheim/Ruhr (dpa) l Die Verkaufsliste für die ersten rund 100 Filialen lag schon auf dem Tisch. Zu alt, nicht modern genug – manche Supermärkte von Kaiser's Tengelmann gelten bei Kunden nicht gerade als erste Wahl. Seit Jahren schreibt die Kette rote Zahlen. Der Konkurrent Edeka will trotzdem seit Langem das Filialnetz übernehmen - und löste damit politisch ziemliches Hickhack aus.

In dem Streit geht es nicht nur um Läden, sondern auch um rund 15.000 Beschäftigte. Kassiererinnen, Verkäuferinnen, Lagerarbeiter. Nun scheint eine Rettung in letzter Sekunde in greifbare Nähe gerückt. Doch es sind noch viele Fragen offen und bei einigen Beschäftigten herrscht Skepsis. Der Berliner Betriebsratsvorsitzende Volker Bohne warnte im "Tagesspiegel" umgehend vor zu großer Euphorie. Zu oft hatten die Beschäftigten schon ein Wechselbad der Gefühle erlebt.

"Wir wissen nichts", sagte Bohne der dpa mit Blick auf das zwischen den Parteien vereinbarte Stillschweigen. Klar ist so viel: Nach Darstellung des Wirtschaftsministeriums in Berlin kann Edeka nun endlich Kaiser's Tengelmann übernehmen. Der Konkurrent Rewe habe sich im Zuge eines Interessenausgleichs bereits erklärt, seine Beschwerde gegen den Fusionsstopp zurückzuziehen. Gerade finanziell muss aber noch einiges geklärt werden.

Was etwa bekommt Rewe als Ausgleich? Nach dpa-Informationen soll der Edeka-Konkurrent nicht leer ausgehen. Das Kölner Unternehmen soll von Edeka eine Reihe von Filialen in Berlin erhalten und im Gegenzug bis spätestens zum 11. November seinen Widerstand gegen die zuvor von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte Ministererlaubnis für die Fusion aufgeben. Eine Einigung darüber soll möglichst noch in dieser Woche erfolgen.

Völlig unklar ist derzeit aber noch der zu zahlende Kaufpreis. Auch über die abzugebenden Filialen wurde noch keine Einigung erzielt. Beobachter gehen davon aus, dass etwa jede zweite Filiale in Berlin an Rewe gehen könnte. Branchenkreise rechnen dabei jedoch nicht mit einem weiteren Veto des Bundeskartellamts. Die Läden in Bayern sollen dagegen komplett bei Edeka bleiben.

Unklar ist vor allem, an wen rund 100 vorwiegend in Nordrhein-Westfalen gelegene Filialen gehen könnten. Gerade viele dieser Läden hatten in der Vergangenheit tiefrote Zahlen geschrieben. Für Außenstehende ist das Gezerre um die Supermarktkette seit Langem kaum noch nachvollziehbar – hinter den Kulissen geht es darum, dass sich die Großen noch ein paar Marktanteile im umkämpften Supermarktgeschäft sichern wollen.

Wirtschaftsminister Gabriel und Verdi-Chef Frank Bsirske zeigten sich dagegen vor dem Hintergrund des erst in einem Schlichtungsverfahren unter Leitung von Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) erzielten Ergebnisses optimistisch. "Ich gehe nicht davon aus, dass es noch irgendeinen Stolperstein für den Vollzug der Schlichtungsvereinbarung geben kann", so Gabriel am Montag. Bsirske sprach von einem sehr guten Tag für die Beschäftigten, deren Arbeitsplätze auf Jahre hinaus gesichert seien.

Nach mehr als zwei Jahren Unsicherheit hatte Tengelmann-Eigentümer Karl-Erivan Haub zuletzt massiv Druck gemacht, um eine Lösung zu erreichen. Innerhalb weniger Tage sollten mögliche Käufer ihr Interesse an den bereits angebotenen Filialen in Nordrhein-Westfalen mitteilen. Bei einer Zerschlagung hätten die Kaiser's-Tengelmann-Beschäftigten deutlich schlechter dagestanden als bei dem jetzt angestrebten Verkauf im Rahmen der Ministererlaubnis. Bei einer Zerschlagung wären Tausende von Arbeitsplätzen in unmittelbarer Gefahr gewesen.

Für Haub wäre eine Zerschlagung der rote Zahlen schreibenden Supermarktkette möglicherweise am Ende sogar lukrativer gewesen als der Komplettverkauf, glauben Experten. Gerade bei den attraktiven Märkten hätte ein Wettbieten die Preise in die Höhe treiben können.

Neben den geschäftlichen Interessen spielten auch persönliche Abneigungen eine Rolle bei dem Verfahren. Immer wieder hatten sich vor allem Tengelmann-Chef Haub und Rewe-Chef Alain Caparros in Interviews gegenseitig mit Vorwürfen überzogen. Haub warf dem Rewe-Chef "Zerstörungswut" vor und macht keinen Hehl daraus, dass er die Angebote des Managers zur Rettung von Kaiser's Tengelmann für schlichtweg "unseriös" hielt. Caparros warf Haub seinerseits vor, "sich als Sonnenkönig aufzuführen" und die Suche nach einer Lösung zu torpedieren.