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Terror in Brüssel Suche nach Terrorverdächtigen

Einer der Attentäter soll 2015 in der Türkei festgenommen und ausgewiesen worden sein. Erdogan sagt, Belgien habe ihn freigelassen.

23.03.2016, 07:34

Brüssel/Berlin (dpa/se) l Die Terrorserie von Brüssel geht auf das Konto eines islamistischen Bruderpaars, das auch Verbindungen zu den Attentätern von Paris hatte. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sprengte sich einer der Brüder auf dem Flughafen in die Luft. Kurze Zeit später zündete der andere dann eine Bombe in der U-Bahn.

Die Türkei hat die belgischen Behörden nach Angaben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan vor einem der Attentäter von Brüssel gewarnt. Doch trotz des Hinweises, dass der Mann ein "ausländischer terroristischer Kämpfer" sei, wurde er von den belgischen Behörden freigelassen, wie Erdogan am Mittwoch in Ankara sagte. "Einer der Angreifer von Brüssel ist die Person, die wir im Juni 2015 in Gaziantep festgenommen und ausgewiesen haben", sagte Erdogan. Die belgischen Behörden seien am 14. Juli 2015 darüber informiert worden. Türkische Medien berichteten unter Berufung auf ungenannte Quellen im Außenministerium in Ankara, bei dem ausgewiesenen Terroristen habe es sich um Ibrahim El Bakraoui gehandelt. Der 29-Jährige hatte sich am Dienstag im Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt.

Der seit Tagen gesuchte Terrorverdächtige Najim Laachraoui ist nach belgischen Medienberichten tot. Er sei einer der Selbstmordattentäter gewesen, die sich am Dienstag auf dem Brüsseler Flughafen in die Luft gesprengt hatten, berichtete der Sender RTBF am Mittwochabend.

Der 24-Jährige stammt aus dem Brüsseler Stadtteil Schaerbeek, wo auch ein mutmaßlicher Unterschlupf der Attentäter vom Dienstag ausgehoben wurde. Der mutmaßliche Dschihadist soll im Februar 2013 nach Syrien gereist sein. Anfang September 2015 geriet er – mit falscher Identität unter dem Namen Soufiane Kayal – zusammen mit Salah Abdeslam und Mohamed Belkaid in eine Kontrolle an der Grenze zwischen Ungarn und Österreich. Laachraouis DNA soll auf Sprengstoff gefunden worden sein, der bei den Anschlägen in Paris verwendet wurde.

Die Suche nach weiteren Tätern dauerte am Mittwoch an. Aus Sorge vor weiteren Anschlägen galt in Belgien weiter die höchste Terror-Warnstufe. Auch in vielen anderen europäischen Ländern waren die Sicherheitsbehörden alarmiert.

Insgesamt starben bei der Terrorserie in der Europa-Stadt am Dienstag nach neuen Angaben mindestens 31 Menschen. Mehr als 270 wurden verletzt. Befürchtet wird, dass sich die Zahl der Todesopfer in den nächsten Tagen noch erhöht.

Unter den Verletzten sind auch mehrere Deutsche, darunter ein schwer verletzter Mann. Das Auswärtige Amt schloss auch nicht mehr aus, dass Bundesbürger getötet wurden. Bislang war nur bekannt, dass eine deutsche Frau eine Rauchvergiftung erlitten hatte.

Staatsanwalt Frédéric Van Leeuw bestätigte auf einer Pressekonferenz in Brüssel, dass es sich bei den Selbstmord-Attentätern um das Bruderpaar Ibrahim und Khalid El Bakraoui handelt. Beide waren belgische Staatsbürger. Die Brüder waren wegen verschiedener Taten der Polizei bekannt, standen aber nicht unter Terrorverdacht.

Nach Angaben der Behörden wird nach einer ganzen "Reihe von Personen" noch gesucht. Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte Leeuw aber keine weitere Auskunft geben.

Nach belgischen Medienberichten richtet sich der Verdacht insbesondere gegen den mutmaßlichen Dschihadisten Najim Laachraoui, einen der mutmaßlichen Drahtzieher der Attentate von Paris, wo im November 130 Menschen getötet wurden. Berichte, wonach der 24-Jährige in Brüssel festgenommen wurde, stellten sich als falsch heraus.

Der Staatsanwaltschaft zufolge sprengte sich Ibrahim El Bakraoui am Dienstag um 07.58 Uhr am Flughafen in die Luft. Auf dem Foto einer Flughafen-Überwachungskamera, das drei Verdächtige zeigt, wurde er als Mann in der Mitte identifiziert. Die beiden anderen Männer werden noch gesucht. Vermutet wird, dass einer ebenfalls getötet wurde, der zweite aber entkam.

Nach dem Hinweis eines Taxifahrers wurde im Brüsseler Schaerbeek ein Laptop mit Bakraouis Testament gefunden. In einer nahelegenen Wohnung wurden weitere 15 Kilogramm Sprengstoff und anderes Material zum Bau von Bomben entdeckt. Dort fand sich auch eine Flagge der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die sich zu den Anschlägen bekannt hat.

Etwa eine Stunde nach dem Anschlag auf dem Flughafen zündete Khalid El Bakraoui dann die Bombe in der U-Bahn-Station Maelbeek, mitten im Europaviertel der belgischen Hauptstadt. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft wurde er anhand der Fingerabdrücke identifiziert. 

Der jüngere der beiden Brüder soll unter falschem Namen eine Wohnung angemietet haben, die zur Vorbereitung der Anschläge von Paris genutzt wurde. Gleiches gilt für eine Wohnung im Brüsseler Stadtteil Forest, wo es bereits vor einer Woche bei einer Hausdurchsuchung zu einer Schießerei mit der Polizei kam. Ein mutmaßlicher Terrorist kam dabei ums Leben, zwei Verdächtige flüchteten.

In Belgien gilt noch bis Karfreitag eine dreitägige Staatstrauer. Am Mittag gab es eine landesweite Schweigeminute. Aus Solidarität wurden die Wahrzeichen vieler anderer Metropolen in den Nationalfarben Belgiens angeleuchtet. Dazu gehörten auch das Brandenburger Tor in Berlin und der Eiffelturm in Paris.

In ganz Europa herrscht seit den Anschlägen Terrorangst. Vielerorts wurden Sicherheitsvorkehrungen verschärft. Die US-Regierung warnte ihre Bürger angesichts der jüngsten Anschläge vor Gefahren bei Reisen nach Europa. Mögliche Ziele von Attentätern seien etwa Touristenattraktionen oder Sportveranstaltungen.

Auf die Spur nach Schaerbeek führte die Ermittler einem Medienbericht zufolge ein Taxifahrer. Der Mann habe dort drei Männer von einer Wohnung abgeholt und zum Flughafen gefahren, berichtete der Sender VRT. Dabei sei ihm aufgefallen, dass die Fahrgäste sich nicht mit dem Gepäck helfen lassen wollten. Angeblich beschwerten sie sich auch, dass sie eigentlich ein größeres Taxi bestellt hatten.

Örtlichen Behörden zufolge zeigen Bilder der Videoüberwachung auch, wie einer der Verdächtigen einen Gepäckwagen in der Ankunftshalle plötzlich stehen lässt und wegläuft. Das Trio hatte sich demnach kurz nach seiner Ankunft am Flughafen getrennt und in der Abflughalle verteilt. Am Mittwoch wurde der Flughafen von schwerbewaffnetem Militär gesichert. Der Flugverkehr soll frühestens am Freitag wieder aufgenommen werden können. Etwa 1500 gestrandete Passagiere mussten die Nacht in Turnhallen verbringen.

Die Staatsanwaltschaft äußerte sich zunächst zurückhaltend über eine Verbindung zu den Terroranschlägen von Paris. Erst am Freitag war in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek Salah Abdeslam festgenommen worden, einer der mutmaßliche Drahtzieher.