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Sanierung Facelifting für den Big Ben

Der Big Ben ist eines der großen Wahrzeichen in London. Doch um den Turm mit der Riesenglocke ist es nicht zum Besten bestellt.

11.07.2019, 01:00

London (dpa) l Tief unten sind Themse und Buckingham-Palast zu sehen, in der Ferne die sanften Hügel in der Umgebung Londons. Es ist eng in fast 100 Metern Höhe auf dem Wahrzeichen Big Ben. In dem Gewirr von Gerüsten und Leitern für die jahrelange Sanierung können nur wenige Arbeiter zeitgleich werkeln. Höhen- und Platzangst sind hier fehl am Platz.

Vor 160 Jahren, am 11. Juli 1859, ertönte das erste Mal die große Glocke – der Big Ben – neben dem Parlament in Westminster. Die Briten nennen auch liebevoll den ganzen Turm so. Das Wahrzeichen, zur Enttäuschung von Touristen zurzeit hinter den Gerüsten und Plastikplanen kaum zu erkennen, ist inzwischen nach der britischen Königin benannt: Es heißt jetzt offiziell Elizabeth Tower.

Der Zahn der Zeit hat mächtig an dem Wahrzeichen genagt. Doch die Hälfte der aufwendigen Sanierung sei schon geschafft, sagte Projektmanager Nicholas Sturge bei einer Besichtigung. "Die Arbeiter müssen sehr vorsichtig vorgehen." Experten nehmen Stück für Stück auseinander, bearbeiten die Teile und setzen sie dann wieder zum großen Ganzen zusammen. Geht alles gut, wird das Außengerüst laut Sturge ab Ende 2020 abgebaut. Bis 2021 sei dann auch das Innere des Turms komplett renoviert.

Die Dimensionen des Projekts sind enorm: Allein die vier Ziffernblätter der Uhr haben jeweils einen Durchmesser von sieben Metern. Jedes Ziffernblatt besteht aus 324 Glasscheiben. "Die sind alle mundgeblasen und nicht transparent", erläuterte Robert Christ von der Glashütte Lamberts in Waldsassen. Das Unternehmen in der Oberpfalz im nördlichen Bayern stellt die neuen Scheiben für Big Ben her.

Auch das gusseiserne Dach und das sogenannte Ayrton-Licht werden generalüberholt. Das laternenartige Gebilde leuchtet nur oben im Elizabeth Tower, wenn das Parlament nach Sonnenuntergang tagt.

Das Geläut bleibt voraussichtlich bis 2021 ausgesetzt, denn auch das Uhrwerk muss überholt werden. Außerdem würden die Arbeiter ansonsten während der Bauarbeiten Hörschäden bekommen. Experten verglichen bereits die Lautstärke von 120 Dezibel im Turm mit Polizeisirenen.

Apropos Polizei: Im Turm war sogar einst ein kleines Gefängnis für Mitglieder des Parlaments untergebracht. Zuletzt kam ein Abgeordneter 1880 dort hinein, der nicht die religiöse Eidesformel leisten wollte.

Dass sie lange Zeit wegen der Sanierung auf die Schläge des Big Ben und der übrigen vier Glocken verzichten müssen, ärgert etliche Briten. Es gab sogar mächtig Streit im Parlament; auch Premierministerin Theresa May passte das lange Aussetzen des Geläuts nicht. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, hielt dagegen das Verstummen der Glocken nicht gerade für ein "nationales Desaster".

Der fast 14 Tonnen schwere Big Ben schlägt normalerweise stündlich, die kleineren Glocken im Viertelstundentakt. Nur zu besonderen Anlässen – etwa Silvester – ist das Läuten in der Bauphase jetzt noch zu hören. Benannt wurde der Big Ben vermutlich nach dem britischen Baumeister und Politiker Sir Benjamin "Ben" Hall (1802-1867). Eine andere Theorie besagt, dass die gewaltige Glocke nach dem Schwergewichtsboxer Ben Caunt benannt worden ist.

Dass Uhrwerk des Wahrzeichens gilt als äußerst präzise. Damit die Zeitbestimmung auch weiter so exakt funktioniert, sind vier Mechaniker, die "Hüter der Großen Uhr", im Einsatz. Einer von ihnen ist Steve Jaggs, für den die Uhr und die große Glocke des Big Ben "Repräsentanten unserer Demokratie und unserer Hauptstadt sind".

Drachen und Einhörner aus Sandstein sind inzwischen herausgeputzt. Ein Ziffernblatt strahlt wieder in Weiß, Blau und Gold. "Vor allem die Luftverschmutzung hat dem Gebäude zu schaffen gemacht", berichtete der leitende Architekt Adam Watrobski. Die Materialien seien durch Schadstoffe angegriffen worden. Künftig dürfte dies dank Umweltschutzmaßnahmen nicht mehr so ein großes Problem sein – dafür könnte aber ein anderes hinzukommen, fürchtet Watrobski. "Wir wissen einfach nicht, wie sich die Klimaerwärmung auf das Gebäude auswirkt."

Der Zustand des Big Ben ist keine Ausnahme in London. So werden große Teile des Parlaments runderneuert. Die meisten der etwa 4000 Fenster in den etwa 1100 Räumen schließen nicht richtig. Von den Wänden bröckelt es, durch die Decke schießt schon mal das Wasser und die alte Heizung wird lieber gar nicht ausgestellt, bevor man sie im Winter nicht mehr anbekommt. Auch der nahe gelegene Buckingham-Palast ist marode. Es gab sogar Zeiten, als das Personal eindringendes Wasser mit Eimern auffing, um Kunstwerke zu retten.