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AfD-Flügel „Erwiesen extremistische Bestrebung“

Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt den rechtsnationalen „Flügel“ ins Visier.

Von Michael Bock 13.03.2020, 00:01

Berlin/Magdeburg l Das Bundesamt für Verfassungsschutz nimmt den rechtsnationalen „Flügel“ ins Visier. Das Amt hat die AfD-Strömung um den Thüringer Landesvorsitzenden Björn Höcke als „erwiesen extremistische Bestrebung“ eingestuft. Behördenchef Thomas Haldenwang begründete die neue Einstufung auch mit einer gestiegenen Bedeutung zentraler Figuren des „Flügels“ – darunter die AfD-Spitzenpolitiker Höcke und Andreas Kalbitz (Brandenburg). „Beide Personen sind Rechtsextremisten“, sagte Haldenwang.

Alexander Gauland, Ehrenvorsitzende der AfD, hatte noch im vorigen Herbst festgestellt, dass Höcke „in der Mitte der AfD“ stehe.

Lauftext

 

Die Einstufung als extremistische Bestrebung ermöglicht dem Verfassungsschutz jetzt, Personen mit nachrichtendienstlichen Mitteln, etwa Observationen und Telefon­überwachungen, zu beobachten. Etwa ein Fünftel der AfD wird dem „Flügel“ zugerechnet. Der Verfassungsschutz schätzt den Kreis auf etwa 7000 Personen. Wie viele es genau sind, ist unklar. Der „Flügel“ führt keine Mitgliederlisten. Die Gesamtzahl der Rechtsextremisten in Deutschland steigt damit dem Inlandsgeheimdienst zufolge auf 32 000.

Auch der Vorsitzende der sachsen-anhaltischen Landtagsfraktion, Oliver Kirchner, wird dem „Flügel“ zugerechnet. Der Magdeburger, der auch als möglicher Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021 gilt, sprach gestern von „politisch diktierter Gesinnungsschnüffelei“. Diese werde als Vorwand genutzt, „Teile der AfD als unliebsamen politischen Gegner auszuschalten und sie beobachten zu lassen“, sagte er der Volksstimme. Dieses Vorgehen sehe er als „letzten unredlichen Schritt, die Konsens­parteien vor dem Untergang zu bewahren“. Mit Blick auf die Linke ergänzte er: „Der Verfassungsschutz sollte sich lieber mit Parteien beschäftigen, die ein Prozent der Reichen erschießen lassen wollen und für Wohlhabende die Zwangsarbeit vorsehen.“

Sachsen-Anhalts AfD-Landes­chef, der Bundestagsabgeordnete Martin Reichardt, sagte, die Beobachtung von Teilen der Partei sei ein „politisches Manöver. Sie ist ungerechtfertigt und unseres demokratischen Rechtsstaats unwürdig.“

Für Rüdiger Erben, innenpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt, ist das Agieren des Verfassungsschutzes ein „richtiger und konsequenter Schritt“. Durch die Behörde wehe nach der Ablösung des früheren Präsidenten Hans-Georg Maaßen offensichtlich ein neuer Wind.

Grünen-Bundeschef Robert Habeck sagte, der Verfassungsschutz solle nicht nur den rechtsnationalen „Flügel“ der AfD beobachten, sondern die ganze Partei stärker ins Visier nehmen. Der Deutsche Beamtenbund warnte die Mitarbeiter in Behörden davor, sich im „Flügel“ zu engagieren. DBB-Chef Ulrich Silberbach sagte: „Egal, ob links- oder rechtsextremistisch: Wer nicht mit beiden Beinen auf dem Boden des Grundgesetzes steht, hat im öffentlichen Dienst nichts zu suchen.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, sagte, für ihn sei längst klar, dass vom völkisch-nationalistischen „Flügel“ eine massive Gefahr für die Demokratie und die offene pluralistische Gesellschaft ausgehe. Meinung