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Versteigerung Wo bleibt das Erfinderdorf?

2018 wurde die Südbrandenburger Siedlung Alwine unter großem Medieninteresse von einem Berliner Kaufmann ersteigert. Was wurde daraus?

22.03.2019, 23:01

Alwine/Cottbus (dpa) l Die Sonne hat Alwine an diesem Morgen in ein freundliches Licht getaucht. Sie wärmt die Frühblüher in den wenigen Vorgärten der Siedlung und lässt die maroden, mit Efeu zugewachsenen Fassaden der Häuser an der Straße fast romantisch aussehen. Doch das Bild trügt. Vor einem Jahr war Alwine versteigert worden. Ein Berliner Kaufmann, der bis heute anonym bleiben will, hatte die Siedlung bei Uebigau-Wahrenbrück (Landkreis Elbe-Elster) erworben. Er wollte die Häuser sanieren und dem kleinen Ort ein neues Gesicht geben. Was ist seitdem passiert?

Eine leere Hundehütte mit dem Hinweis "Hier wache ich" wartet neben einer Häuserwand, von der Putz abbröckelt. In der Mitte des Örtchens stehen neue Mülltonnen. 15 Bewohner leben noch in der ehemaligen Bergwerksiedlung. Sie sind vom Investor informiert worden, dass die Siedlung nach der Sanierung ihrer Häuser ein Erfinderdorf werden soll. Gestalten sollen das zwei Unternehmer, die der Kaufmann mit an Bord geholt hat.

Gerhard Muthenthaler und Marijan Jordan betreiben einen Erfinderladen in Berlin. Ihre Idee: Das ehemalige Bergwerksdorf soll ein Erfinderdorf werden – eine Art bewohnbarer Testplatz für Innovation. Muthenthaler nennt es auch einen Open-Air-Showroom für Kreativlinge, die dort ihre Ideen zeigen können – von Wasseraufbereitungsanlagen über eine wärmereflektierende Gebäudebeschichtung bis hin zu Dachziegeln mit Solarfunktion. "Je mehr Erfinder kommen, desto besser". Der Bürgermeister von Uebigau-Wahrenbrück, Andreas Klaus, fand die Idee gut. Das sei eine Hoffnung für die Siedlung, hatte er im vergangenen Jahr vorsichtig optimistisch gesagt. "Zu allererst aber müssen die Wohnungen der Mieter in Alwine saniert werden".

Hinter einem zweistöckigen Mehrfamilienhaus hackt Paul Urbanek Holz für seinen Ofen. "Sechs Familien leben noch in der Siedlung. Ich bleibe auch", sagt der über 70-Jährige mit fester Stimme. Dann zeigt er die Löcher im Dach, das längst neue Ziegel haben sollte. Urbanek ist zwiegespalten, was die Sanierung und das Erfinder-Projekt angeht. "Ich weiß nicht, was ich noch glauben soll". Da seien schon einige mit Ideen und Plänen nach Alwine gekommen, erinnert er sich. "Geändert hat sich für uns nichts".

Der aktuelle Besitzer wollte nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr mit den Bauarbeiten beginnen. Im September wurden erst einmal alte Badewannen und Toiletten aus den unbewohnbaren Wohnungen herausgerissen. Baumaterial wurde angefahren, darunter WC-Becken und rote Dachziegel. "Seitdem ist aber nichts mehr passiert", erzählt Urbanek.

Etwa 120 Kilometer entfernt in Berlin gibt sich der Besitzer von Alwine hilflos. Er habe 25 Tonnen Baumaterial in die Siedlung gebracht und regionale Firmen für die Sanierung angefragt. Elektriker und Dachdecker sollten Arbeiten übernehmen. "Ich habe auch Aufträge rausgeschickt und dann Monate vergeblich gewartet, dass sich eine Firma meldet." Vielleicht liege das ja auch an dem Fachkräftemangel, mutmaßt der Kaufmann.

Bürgermeister Claus sieht das anders. "Irgendwie geht das nicht zusammen", sagt er leicht resigniert. "Ich bin derjenige, der Kontakt zu den Erfindern hält, aber es gibt für die Bauleute vor Ort keinen Ansprechpartner". Claus findet die Vorgehensweise unprofessionell. Dachdecker und Elektriker bräuchten Leistungsbeschreibungen, bevor sie ein Angebot für die Sanierung erstellen könnten. "Soweit wie ich weiß, haben die Arbeiter vom Investor nichts bekommen."

Bei Paul Urbanek im Mehrfamilienhaus sollen sich inzwischen neue Bewohner einquartiert haben – Fledermäuse. Im Spitzdach wurde ihr Kot entdeckt. Platz sei ja genug, lacht Urbanek. Die untere Naturschutzbehörde ist schon informiert. Er müsse erst prüfen, ob das auch stimmt mit dem Fledermausdomizil, dann werde er weitersehen, sagt der Naturschutz-Beauftragte Thomas Spillmann-Freiwald.

Der Berliner Investor hebt dazu die Hände. "Wenn die Naturschützer wegen der Fledermäuse erst einmal Stopp sagen zur Sanierung, akzeptiere ich das natürlich". Er will zeitnah mit allen Verantwortlichen besprechen, wie es weitergeht in Alwine. Für Bürgermeister Andreas Claus darf nur eines dabei herauskommen: dass es vorwärts geht in Alwine.