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CDU Der Kater nach der Wahlentscheidung

Die knappe Wahlniederlage von Friedrich Merz gegen Annegret Kramp-Karrenbauer sitzt der Schock den Parteikonservativen in den Knochen.

Von Michael Bock 10.12.2018, 00:01

Hamburg l Carsten Linnemann, Bundeschef der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung“, ruft fast schon flehentlich in den Saal. „Lieber Friedrich, bleib bitte bei uns!“ Der als konservativ geltende Linnemann hatte sich vor der Wahl für den Sauerländer stark gemacht. „Friedrich, wir brauchen dich“, barmt er. „Wir müssen den Laden zusammenhalten, verdammt nochmal. Das wird nicht einfach, aber wir kriegen das hin.“

Merz selbst hat nach seiner Niederlage zwar versprochen, die CDU weiter zu unterstützen. Doch für das Präsidium tritt er nicht an, was viele seiner Anhänger enttäuscht registrieren.

„Zusammenführen. Und zusammen führen“ lautet das Motto des Parteitags in Hamburg. Wenn es doch nur so einfach wäre. Beim Bundesparteitag treibt viele die Sorge um, dass die CDU auseinanderdriften könnte. Bloß keine Flügelkämpfe. Nur kein Streit. So ist die Ansage. Die neue Bundeschefin Annegret Kramp-Karrenbauer soll es nun richten. Das erwarten auch Delegierte aus Sachsen-Anhalt, 18 haben mitgewählt. Der Magdeburger Kreis­chef Tobias Krull sagt, Kramp-Karrenbauer müsse „die Lager zusammenführen“. Der Bundestagsabgeordnete Tino Sorge pflichtet bei: „Als Teamspielerin muss es ihr gelingen, die unterschiedlichen Flügel in der Partei einzubinden und die Erneuerung der CDU voranzutreiben.“ Ex-Ministerpräsident Christoph Bergner ist „enttäuscht“, dass Merz nicht gewählt wurde. Zugleich bescheinigt er der neuen Bundeschefin eine „hohe Integrationskraft“. Nico Schulz, der Osterburger Bürgermeister sagt, er hätte Merz „noch mehr Aufschwung für die CDU zugetraut“. Enttäuscht sei er aber nicht, da auch Kramp-Karrenbauer „eine gute Wahl ist“.

„Eine große Chance für unsere Partei ist vergeben worden.“
Ingo Gondro, WerteUnion

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Sepp Müller (Wittenberg), auch er ein Merz-Anhänger, fordert: „Jetzt nicht in die Schmollecke setzen!“ Ingo Gondro, Gründer des Konservativen Kreis in der CDU Anhalt-Bitterfeld und Vize-Bundeschef der WerteUnion schreibt auf Facebook: „Bin tief enttäuscht. Eine große Chance für unsere Partei ist vergeben worden. Das linksliberale Lager hat sich leider knapp durchgesetzt.“

Die Anhänger von Kramp- Karrenbauer bejubeln deren Sieg am Freitag frenetisch. Die Partei ist von sich selbst berauscht. Doch schon am Tag danach muss die neue Chefin einen schweren Dämpfer hinnehmen. Der von ihr vorgeschlagene Nachfolger, JU-Bundeschef Paul Ziemiak, wird mit gerade mal 62,8 Prozent zum neuen Generalsekretär gewählt – und das als Einzelkandidat.

Als sich beide nach der Wahl auf dem Podium präsentieren, fällt der Applaus sehr spärlich aus. Ein Gutteil der Vortags-Euphorie ist da bereits verflogen. Der Kater nach dem Rausch.

Dabei ist die Personalie Ziemiak eigentlich als Versöhnungssignal an den konservativen Parteiflügel gedacht. Ein Versuch Kramp-Karrenbauers, die CDU nach ihrer Wahl zur Vorsitzenden zu einen. Ziemiak gehört wie Merz und Spahn zum konservativen Flügel der CDU. Kramp-Karrenbauer ist eine Vertraute der Kanzlerin und gilt als Vertreterin eines politischen Kurses der Mitte.

Wie ist das schwache Ergebnis für Ziemiak zu erklären? Im Wettkampf um die Parteispitze hat der 33-Jährige, wie Merz aus dem Sauerland, die bisherige Generalsekretärin nicht unterstützt. Er sagte sogar ein vorheriges Angebot Kramp-Karrenbauers ab, im Falle ihrer Wahl zur Parteichefin Generalsekretär zu werden. Dass er nun doch ins Team von „AKK“ wechselt, nehmen ihm viele krumm, das dürfte ihn Stimmen gekostet haben. Hinter vorgehaltener Hand wird ihm ein „Zickzack-Kurs“ vorgeworfen. Ihm hätten Parteifreunde gesagt, er könne das Angebot doch nicht annehmen, sagt Ziemiak. Aber jetzt gehe es darum, „die Partei zu erneuern mit einem klaren Kurs und einer klaren Sprache“. Nach der Wahl spricht er von einem „ehrlichen Ergebnis“.

„Das wird ein hartes Stück Arbeit. Die Enttäuschungen sind da.“
Paul Ziemiak, Generalsekretär

Die Lager in der Partei „wieder zusammenzuführen“, müsse in den nächsten Wochen im Vordergrund stehen, sagt er. Dies werde aber „ein hartes Stück Arbeit“, denn: „Die Enttäuschungen sind da.“ Kramp-Karrenbauer sagt, an die Adresse von Merz und Spahn gerichtet: „Wir drei Kandidaten waren uns immer einig, dass jeder von uns Verantwortung dafür trägt, dass die Partei nach dieser Entscheidung zusammenhält.“ Sie setzt indes erste inhaltliche Akzente. Kramp-Karrenbauer kündigt für Januar ein Gespräch zur Flüchtlings- und Sicherheitspolitik an, an dem auch Kritiker des bisherigen Kurses teilnehmen sollen.

Zufrieden mit seiner Wahl dürfte indes Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff sein. Er wird mit 88,9 Prozent erneut in den Bundesvorstand gewählt – das ist das zweitbeste Ergebnis.