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Die Linke "Wir wollen radikal etwas verändern"

Jan Korte vertritt im Bundestag den Wahlkreis Anhalt. In Berlin sieht er auch seine politische Zukunft.

Von Steffen Honig 21.12.2019, 00:01

Nach Beschwerden aus dem Bundestag wurden die Nachtsitzungen abgeschafft. Sie haben öffentlich festgestellt, dass in anderen Berufen härter gearbeitet wird. Sind die deutschen Parlamentarier zu weich?Jan Korte: Generell gehören Bundestagsabgeordnete zu den wohl privilegiertesten Berufsgruppen in diesem Land. Und keiner muss Abgeordneter sein. Es geht mir und uns um die Beschäftigten. Von den Saaldienern, der Polizei bis hin zu den Stenographen. Deshalb haben wir uns interfraktionell und mit dem Präsidenten darauf verständigt, Nachtsitzungen nach Möglichkeit zu vermeiden.

Die Linken-Fraktion wird jetzt neben Dietmar Bartsch durch Amira Mohamed Ali geführt, weil Sahra Wagenknecht sich zurückgezogen hat. Damit verlieren Sie nach Gregor Gysi die nächste Galionsfigur. Wie ist das auszugleichen?
Amira Mohamed Ali wird schnell bekannt werden, da bin ich ganz sicher. Ich werbe zudem dafür, dass Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi bei den nächsten Bundestagswahlen erneut für die Linke antreten. Denn natürlich findet heute eine Identifikation mit der Partei zu großen Teilen über Personen statt.

Wer fällt ihnen noch ein?
Zum Beispiel Berlins Kultursenator Klaus Lederer, unsere Bremer Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt, Sebastian Walter in Brandenburg, natürlich auch die Parteivorsitzende Katja Kipping. Und Bodo Ramelow, der ein sensationelles Ergebnis in Thüringen eingefahren hat. Wir haben viele gute Leute, die unterschiedlich sind. Ich wünsche mir, dass man diese Unterschiede innerparteilich anerkennt.

In Thüringen war die Linke nur dank Bodo Ramelow erfolgreich. In Brandenburg und Sachsen gab es desaströse Ergebnisse. Wie bewerten Sie dieses Wahljahr?
Um es klar zu sagen: Die Wahlen in Sachsen und Brandenburg wie auch die Europawahlen haben uns extrem schlechte Ergebnisse beschert. Das sind Alarmsignale, da gibt es nichts zu beschönigen. Wir haben ein dickes Problem, um das wir uns auf allen Ebenen der Partei kümmern müssen.

Die Niederlagen haben viel mit der AfD zu tun. Sind die Rechtsnationalen die neue ostdeutsche Protestpartei?
Im Bundestag kommt von denen nichts außer Pöbelei und Hetze. Wenn man Protest mit Gestaltungswillen vereinen will, ist die Linke die erste Adresse. Weil wir die einzige Partei sind, die sich mit den wirtschaftlich Mächtigen in diesem Land anlegt. Wir wollen denen da oben etwas wegnehmen, um es den hart Arbeitenden da unten zu geben. Die AfD spielt die Schwächsten gegen die Schwachen aus, davon haben nur die Manager in den Konzernzentralen etwas.

Moment: Mit ihrer neuen Führung will auch die SPD wieder Umverteilung. Eine neue Machtoption ist aufgetaucht: Grün-Rot-Rot. Wie realistisch ist das, eine Stimmenmehrheit vorausgesetzt?
Zunächst müssten sich die Grünen mal entscheiden, mit wem sie ihre Forderungen eigentlich umsetzen wollen. Und die SPD hat schon oft links geblinkt und ist rechts abgebogen. Ich hoffe aber, dass die SPD wieder stark wird und eine klare Mitte-Links-Option unterstützt. Es kann nicht im demokratischen Interesse sein, dass die SPD verschwindet. Wir wollen an die Regierung, denn wir wollen radikal etwas verändern: mehr Umverteilung und soziale Gerechtigkeit durchsetzen und eine konsequente Friedenspolitik betreiben. Regieren darf kein Selbstzweck sein.

Also wäre die erwähnte Dreierkoalition mit den Linken machbar?
Ja, es ist möglich, wenn die Inhalte stimmen.

Ihr Wahlkreis Anhalt macht derzeit durch den Fall Möritz Schlagzeilen. Wie tief ist der rechte Sumpf hier, der offenbar von AfD bis CDU reicht?
Es gibt ein großes Rechtsextremismusproblem. Das hat Henriette Quade aus der Linken-Landtagsfraktion immer wieder deutlich gemacht. Was wäre wohl in der CDU los gewesen, wenn das ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter gewesen wäre? Ich glaube, die CDU braucht sowohl im Land als auch im Bund dringend eine Klärung ihres Verhältnisses zum rechten Rand. In der Nachkriegs-CDU im Westen waren jede Menge Nazis aktiv. Als Politikwissenschaftler sage ich: Vielleicht wäre das jetzt eine Gelegenheit für die CDU, ihre Geschichte aufzuarbeiten, wie sie das von anderen verlangt.

Die Abstände zwischen den Kündigungsdrohungen innerhalb der Kenia-Koalition werden immer kürzer. Wird sie noch bis 2021 Sachsen-Anhalt regieren?
Gute Frage, die müssen Sie insbesondere mal SPD und Grüne fragen, wie lange sie das noch mitmachen wollen.

Halten Sie eine AfD-Regierungsbeteiligung an der Seite der CDU für denkbar?
Die CDU muss dringend und unmissverständlich klarstellen, dass sie mit der AfD nicht koalieren wird. Was innerhalb der CDU abläuft, ist nicht zu fassen. Für uns ist klar: Die Tür der CDU zur AfD muss zu bleiben, schon aus historischen Gründen. Dafür wird auch meine Partei den Druck organisieren.

Neben Eva von Angern und Thomas Lippmann werden auch Sie als Linken-Spitzenkandidat für die Landtagswahl 2021 gehandelt. Würden Sie antreten wollen?
Ich bin als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und mit der Wahlkreis-Arbeit voll ausgelastet. Der Landesverband und unser Landesvorsitzender Stefan Gebhardt haben meine volle Loyalität und Unterstützung. Sie werden eine weise Entscheidung treffen. Ich kämpfe in Berlin für Sachsen-Anhalt.