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Einnahmequelle Die arme SPD und das Aufregergesetz

Union und Sozialdemokraten wollen im Eiltempo die Parteienfinanzierung aufstocken.

14.06.2018, 23:01

Berlin (dpa) l Dietmar Nietan hat erstaunlich gute Laune so früh am Morgen, um 7.30 Uhr beim Frühstück im Bundestagsrestaurant. Der Schatzmeister der SPD grübelt seit Monaten über Sparpläne. Allein die komplizierte Regierungsbildung mit Sonderparteitagen und dem SPD-Mitgliedervotum hat rund vier Millionen Euro extra gekostet. Noch so ein Sonderparteitag und Nietan hätte wohl in die Tischkante gebissen. Ihm fehlen wegen des Absturzes auf 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl auch noch jährlich 1,6 Millionen aus der staatlichen Parteienfinanzierung – die wichtigste Einnahmequelle der Partei. 

Als Rheinländer kennt Nietan das kölsche Grundgesetz. Artikel 3 lautet: „Et hätt noch immer jot jejange“ („Es ist noch immer gut gegangen“). Dass er vorerst nicht ans Tafelsilber ran muss – die Sozialisten in Frankreich mussten sogar die Parteizentrale verkaufen –, liegt auch am Einsatz von Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles.  Die hat in kleiner Runde mit ihren Koalitionskollegen Volker Kauder (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) beschlossen, dass die Geldsorgen gelindert werden – auf Kosten der Steuerzahler.

Die beiden größten Wahlverlierer – Union und SPD – wollen die Parteienfinanzierung ausweiten. Von 165 Millionen Höchstgrenze auf 190 Millionen Euro. Höchstgrenze nicht ausgeschöpft Davon profitieren auch die Oppositionsparteien, aber in der Summe besonders Union und SPD. Zuletzt wurde die Höchstgrenze nicht ganz ausgeschöpft. Der durchschnittliche Anteil der staatlichen Zuschüsse an den Einnahmen einer Partei lag 2017 bei 34,78 Prozent.  Nietan betont: „Es ist nicht so, dass uns das aller finanziellen Probleme entledigt.“

Gespart werden muss trotzdem, zum Beispiel könnten Parteitage etwas spartanischer ausfallen. „Wir wollen mit Inhalten überzeugen.“ Nietan berichtet, dass er einen zweistelligen Millionenbetrag seit 2013 allein in die Digitalisierung gesteckt habe. Begründet wird die Rekorderhöhung der Zuschüsse von Union und SPD denn auch primär mit gestiegenen Ausgaben für soziale Medien – die Kommunikation mit Kanälen wie Facebook, Twitter und YouTube sei viel aufwendiger geworden, zudem steigen Ausgaben zum Schutz gegen Hackerangriffe. 

Aus dem CDU-Vorstand heißt es, ohne mehr Mittel werde auch die Verankerung in der Fläche mit eigenen Geschäftsstellen schwieriger, da man mehr Hauptamtliche bezahlen muss, Ehrenamtliche werden weniger. Aber selten wurde ein nicht dringend notwendiges Gesetz mit so viel Tempo durch den Bundestag gepeitscht. Vergangene Woche wurde das von FDP, AfD, Linken und Grünen scharf kritisierte Hauruck-Vorhaben publik und in den Bundestag eingebracht – gerade mal eine Woche später soll es heute final beschlossen werden.

Die Linke prüft bereits eine Normenkontrollklage dagegen. Kritik von Linksfraktion Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, kritisiert: „Die Koalition schiebt etliche gesellschaftliche Themen auf die lange Bank, aber die eigenen Probleme beseitigt sie in neun Werktagen.“ Unter Punkt C, Alternativen, steht im Entwurf: „Keine“. Der Zeitplan ist auch so eng getaktet, weil bis Anfang Juli der Haushalt verabschiedet werden soll, die ab Anfang 2019 geplante Aufstockung muss noch eingepreist werden. 

Soll im Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft das Projekt zügig durchgezogen werden? Spielt das nicht der AfD in die Hände, die gegen die „Altparteien“ und deren Verschwendung wettert? AfD-Fraktionschefin Alice Weidel rief: „Sie brechen die Verfassung!“ Die Staatsrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Konstanz hält das Ganze ebenfalls für verfassungswidrig. So eine starke Anhebung wäre „nur bei einschneidenden Veränderungen“ rechtens, die es nicht gebe.