1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Schluss mit der Pflege im Dauerlauf

Fachkräftemangel Schluss mit der Pflege im Dauerlauf

Der Fachkräftemangel ist für Andreas Westerfellhaus (CDU), Bevollmächtigter der Bundesregierung, die größte Herausforderung in der Pflege.

Von Steffen Honig 02.04.2019, 01:01

Magdeburg l Er ist gelernter Krankenpfleger, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung: Andreas Westerfellhaus (CDU).

Volksstimme: Das Ärzteblatt nennt Sie „Kämpfer für die Pflege“. An welchem Frontabschnitt stehen Sie gegenwärtig?

Andreas Westerfellhaus: Die größte Herausforderung ist der gigantische Fachkräftemangel. Die Hauptfragen lauten: Wie können wir Menschen im Beruf halten? Wie können wir Menschen für den Beruf zurückgewinnen? Wie können wir genügend Menschen ausbilden? Damit soll nicht alles andere ausgeblendet werden, aber der Fachkräftemangel wirkt sich in allen Bereichen der Gesundheitsversorgung aus. Übrigens auch im Zusammenspiel mit pflegenden Angehörigen.

Es heißt, 40.000 Stellen sind im Pflegebereich unbesetzt. Wie soll man das anders nennen als Notstand?

Es gibt ganz unterschiedliche Zahlen. Fakt ist: Wenn Intensivstationen nicht betrieben werden können und Menschen nicht in die häusliche Versorgung oder stationäre Altenpflegeeinrichtungen aufgenommen werden können, sind es iel zu wenig Fachkräfte. Diejenigen, die in der Pflege arbeiten, beklagen sich am meisten darüber, dass sie zu wenige Kollegen an ihrer Seite haben. Es muss Schluss sein mit der Pflege im Dauerlauf. Wir müssen über Personalbemessungsverfahren sichergestellt bekommen, dass wir definieren, wie viel Pflegefachkräfte für eine qualifizierte Betreuung von Menschen nötig sind.

13.000 neue Kräfte hat Gesundheitsminister Jens Spahn bei Amtsantritt versprochen. Wo sind sie?

Es gibt eine Untersuchung, nach der 48 Prozent der Aussteiger aus dem Pflegeberuf bereit sind zurückzukehren, wenn sie vernünftige Rahmenbedingungen vorfinden. Hinter dieser Prozentzahl verbergen sich 120 .000 bis 200 .000 ausgebildete Pflegefachkräfte in Deutschland. Hier müssen wir ansetzen.

Was muss sich an den Rahmenbedingungen verbessern, um aus diesem Reservoir schöpfen zu können?

Da ist zunächst die Personalbemessung: Mit wie viel Kolleginnen und Kollegen in einer Schicht arbeite ich zusammen? Faire Bezahlung: Ich muss von meinem Lohn gut leben können. Der Pflegeberuf ist eine verantwortungsvolle Tätigkeit, die eine entsprechende Entlohnung braucht. Ganz gleich, ob im Krankenhaus, in der stationären Altenpflege oder der häuslichen Krankenpflege. Die Arbeitgeber sind hier gefordert, etwa neue Arbeitszeitmodelle auszuprobieren. Die Mitarbeiter beklagen vor allem keine planbaren Wochenenden, keine planbare Freizeit. Das muss man ändern. Und das geht nur mit mehr Kollegen.

Ohne Druck seitens der Politik wird das nicht funktionieren.

Das Gesundheitsministerium hat konkrete Gesetze auf den Weg gebracht und wird das weiter tun, um den Mangel aufzulösen. Ein Beispiel: Seit dem 1. Januar wird jede zusätzliche Pflegekraft über die Krankenkassen im Krankenhaus refinanziert. Die Ausrede, die Zusatzkraft nicht bezahlen zu können, gilt also nicht mehr. Auch im häuslichen Bereich und der stationären Langzeitpflege tut sich viel. Wir werden im nächsten Jahr ein Personalbemessungsverfahren vorstellen – und das muss refinanziert werden. Heute schon sind Krankenkassen verpflichtet, Tarifverträge bei Budgetverhandlungen nicht als unwirtschaftlich abzulehnen. Jetzt haben das die Kassen umzusetzen. Ich höre aber von vielen Verhandlern vor Ort, dass sich die Kassen nicht an die gesetzlichen Vorgaben halten.

Damit haben die Krankenkassen den schwarzen Peter. Was ist mit den Arbeitgebern?

In der konzertierten Aktion Pflege werden in einer Arbeitsgruppe unter Führung von Arbeitsminister Hubertus Heil Lösungen für flächendeckende Tarifverträge entwickelt, die für alle gelten sollen. Bis jetzt verhandeln die unterschiedlichen Arbeitgeber – öffentliche, konfessionelle, private – für sich allein. Wir haben einen Pflegenotstand: In einer Krise muss man zu Kriseninstrumenten greifen dürfen. Was bisher auf dem freien Markt nicht umsetzbar war, muss der Gesetzgeber in die Hand nehmen.

Bisherige Bewertungen für Pflegeheime gelten als geschönt. Im Herbst soll der neue Pflege-TÜV starten. Was erhoffen Sie sich davon?

Ich erwarte endlich eine Lösung, an der sich die Menschen bei einer Suche nach einer qualifizierten Pflegeeinrichtung orientieren können. Die Bewertung orientiert sich mehr an Ergebnissen und schafft Anreize für wirkliche Qualitätsverbesserungen. Somit hat das nichts mehr mit dem gescheiterten Notensystem mit einer Eins für alle zu tun.