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Flüchtlingskrise Jobcenter sollen schneller arbeiten

Koalition will bessere Vermittlung von Beschäftigung für Flüchtlinge und Arbeitslose.

25.01.2016, 23:01

Berlin (dpa) l Viele Langzeitarbeitslose und nun noch die Flüchtlinge - wie soll das gehen? Rund 930 000 Menschen sind länger als ein Jahr arbeitslos. Der soziale Missstand besteht seit Jahren hartnäckig. Droht die Lage mit den Flüchtlingen nun noch schlimmer zu werden?

Die Jobcenter sollen besser gewappnet sein als das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), das mit Asylentscheidungen nicht nachkommt. Im Sommer, wenn immer mehr Asylverfahren abgeschlossen sind, erwarten sie eine starke Mehrbelastung.

2800 vom Bund bewilligte Stellen für die Flüchtlingsbetreuung wurden auf dem Papier schon auf die Regionaldirektionen verteilt. Die Einstellungen laufen. Der Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-Jürgen Weise, rechnet mit bis zu 200 000 arbeitslosen Flüchtlingen.

Da trifft es sich gut, dass die Koalition ohnehin frischen Wind in die Vermittlung von Arbeitslosen bringen will. Schon 2014 legte eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe Vorschläge vor, um das Dickicht der Verfahren in den Jobcentern zu lichten. An die Flüchtlinge dachte man damals noch nicht – doch dass das Gesetz am 3. Februar ins Kabinett kommen soll, kommt nun wie gerufen. „Es ist ein wichtiger Baustein, um die Jobcenter für die anstehenden Aufgaben zu wappnen“, sagt Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD).

Noch wird hinter den Kulissen über Details verhandelt. Anvisiert sind nicht nur schlankere Verfahren, sondern auch bessere Fördermöglichkeiten.

Der CDU-Sozialexperte Karl Schiewerling verspricht: „Wir wollen die Flüchtlinge integrieren, aber die Langzeitarbeitslosen dabei nicht vernachlässigen.“ Für den Chef der Arbeitnehmergruppe der Unionsfraktion, Peter Weiß (CDU), ist zentral: „Wir dürfen die deutschen Arbeitslosen jetzt nicht vergessen, weil die Flüchtlinge da sind.“

Was ist geplant?

⦁ EINFACHERE VERFAHREN: Hartz-IV-Leistungen zum Lebensunterhalt sollen künftig in der Regel nicht mehr nur für sechs, sondern für zwölf Monate bewilligt werden. „Also muss die Einkommenssituation seltener überprüft werden“, sagt die SPD-Sozialexpertin Katja Mast. Auch andere einfachere Abläufe brächten mehr Zeit für Vermittlung statt für Verwaltung.

 

⦁ INTEGRATIONSBETRIEBE: „Wir wollen die Integrationsbetriebe für Langzeitarbeitslose öffnen“, sagt Schiewerling. Bisher werden solche Firmen – aus Handwerk, Handel, Gastronomie, Dienstleistungen – vor allem für die Beschäftigung von Schwerbehinderten gefördert. „Menschen, die bisher kaum Chancen auf dem ersten Arbeitsmarkt haben, sollen sich leichter tun, in einem normalen Arbeitsrhythmus Fuß zu fassen“, sagt Schiewerling.

 

⦁ ARBEITSGELEGENHEITEN: Jobs für Arbeitslose mit besonders geringen Chancen wegen fehlender Abschlüsse oder Gesundheitsproblemen sollen länger gefördert werden können – etwa Ein-Euro-Jobs für gemeinnützige Arbeit in Kommunen. Bisher dauern sie in der Regel höchstens zwei Jahre. „Es gibt Menschen, die haben solche Hemmnisse auf dem Buckel, dass zwei Jahre nicht reichen“, sagt Weiß. Außerdem sollen Beiräte von Arbeitgebern und Gewerkschaften mehr Einfluss haben beim Urteil, ob so ein Job eine reguläre Stelle verdrängt – oder vielleicht doch nicht.

 

Kommt jetzt also ein großer Wurf gegen Langzeitarbeitslosigkeit? CDU-Sozialexperte Weiß spricht lieber von „Korrekturen anhand der Erfahrungen in der Praxis“. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt: Die Zahl der geförderten Jobs für Langzeitarbeitslose sank trotz neuer Programme in den vergangenen zwei Jahren von knapp 140 000 auf 84 000.

Die große Frage zum Arbeitsmarkt 2016 dürfte werden: Wie schnell gelingt Flüchtlingen der Schritt zum Job, zur Integration? „Viele Flüchtlinge sind besonders motiviert, den Sprung in eine Beschäftigung, Ausbildung oder ein Studium bei uns zu schaffen“, stellen die Spitzenverbände von Industrie, Arbeitgebern und Handwerk gemeinsam fest – sprechen aber ernüchtert von in der Regel fehlenden Deutschkenntnissen und Qualifikationen.

Ministerin Nahles will Flüchtlinge auch über Ein-Euro-Jobs für öffentliche Aufgaben an den Arbeitsmarkt heranführen. Die Grünen-Arbeitsmarktexpertin Brigitte Pothmer sagt, Flüchtlinge müssten gleichzeitig in Betrieben Erfahrung sammeln, Deutsch lernen und oft noch besondere Unterstützung bekommen. Sie meint: „Das ist unter den derzeitigen Bedingungen kaum möglich.“