1. Startseite
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Politik
  6. >
  7. Finnische Botschafterin mahnt zu Verzicht

Forum in Magdeburg Finnische Botschafterin mahnt zu Verzicht

Finnland lenkt noch für zwei Monate die Geschicke der EU. Botschafterin Anne Sipiläinen erläuerte in Magdeburg die Vorhaben des Landes.

Von Steffen Honig 01.11.2019, 00:01

Magdeburg l Erfahrene EU-Diplomaten und Regierungsbeamte aus den Mitgliedsstaaten werden sich gewundert haben. Während der laufenden finnischen EU-Ratspräsidentschaft gibt es kaum Konferenzen in dem nordischen Land und vor allem: keine Gastgeschenke. Die sind sonst üblich, schon aus Gründen der Landeswerbung.

Warum die Finnen darauf verzichtet haben, erklärt Anne Sipiläinen, Botschafterin ihres Landes in Berlin mit dem gewählten Nachhaltigkeits-Motto. Die Präsente, obwohl nur Kleinigkeiten, hätten summa summarum mit einer halben Million Euro zu Buche geschlagen, die nun in Maßnahmen zur Kompensation der CO2-Belastung durch die Flüge der Teilnehmer gesteckt würden.

Von Kritik aus EU-Kreisen sei ihr übrigens nichts bekannt, sagt die Botschafterin bei einem Forum der Europäischen Bewegung Sachsen-Anhalts in Magdeburg. Es gehört zum Programm ihres Antrittsbesuches im Land. Die öffentliche Debatte ergänzt die obligatorischen Visite bei Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Eines der großen Themen ihrer Präsidentschaft, das sich die Finnen nicht ausgesucht haben, ist der unendlich scheinende Vollzug des Brexit. Bis Dezember wird die Sache auch nicht geschafft sein, da kommen erstmal die Unterhauswahlen und vielleicht folgt nach Ablauf der nächsten EU-Frist Ende Januar der Austritt. Botschafterin Sipiläinen meint, das ausgehandelte Abkommen zwischen Großbritannien und der EU sei „fair“. Vor allem müsse die Stabilität auf der irischen Insel gesichert werden. Ansonsten gelte für das Brexit-Drama: „Es passiert jeden Tag etwas. Wir können nur auf London warten.“

Und das funkt dann bei der Agenda dazwischen, die sich Finnland für seine Präsidentschaft vorgenommen hat. So wollen die Skandinavier den Erhalt der gemeinsamen Werte und des Rechtsstaates sicherstellen.

Ein Instrument dafür könnte laut Botschafterin ein „Mechanismus gegenseitiger Begutachtung“ sein. Ob so etwas praxistauglich wäre und Polen und Ungarn, die die EU-Kommission seit Jahren im Visier hat, da mitmachen, muss dahingestellt bleiben.

Bei verstärkter Wettbewerbsfähigkeit, die sozial unterfüttert werden soll, stellt auch Finnland klar die Digitalisierung in den Mittelpunkt. Sipiläinen: „Wir müssen das europäische Bildungs- und Forschungsniveau an die Welt- spitze führen.“

Auch die EU-Außenbeziehungen sind für Finnland evident. „Die Europäische Union muss nach außen stärker und geeinter auftreten“, sagt Sipiläinen. Mit Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz wolle man den Gefahren im Cyberraum entgegentreten. Finnland gehöre zu den Ländern, die die Aufnahme neuer EU-Mitglieder vom Westbalkan begrüßen würden. „Wir waren für die Verhandlungen mit Nordmazedonien und Albanien und hoffen, dass diese bald beginnen werden.“

Was die Flüchtlingspolitik angeht, musste auch Finnland Kenntnis nehmen, dass ein gemeinsames europäisches Asylsystem derzeit illusorisch ist. Als Alternative dienten Einzelvorschläge, die sich auch umsetzen ließen, meint die Diplomatin.

Bleibt der Klimaschutz – in ganz großem Maßstab. „Wir wollen die erste fossile Wohlfahrtsgesellschaft der Welt werden“, sagt Botschafterin Sipiläinen. Dazu sollen bis Ende des Jahres die langfristigen Klimaziele festgelegt werden, um tatsächlich bis 2050 die CO2-Neutralität erreichen zu können.

Anne Sipiläinen hat während ihrer Laufbahn Deutschland geteilt und Deutschland vereint erlebt. Im Attaché-Rang kam sie 1988 für ein halbes Jahr an die Finnische Botschaft in der DDR. 30 Jahre später vertritt sie ihr Land in der Bundesrepublik.

Wie empfindet sie die Unterschiede? Die Diplomatin: „Alles durchschauen konnte ich damals in der DDR nicht. Jedenfalls ist es jetzt viel besser. Ich finde aber, 30 Jahre sind für die Einheit eine kurze Zeit. Ich verstehe, dass noch nicht alles geschafft ist.“