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Interview Die Zukunft der Stasi-Unterlagen

Roland Jahn war in Magdeburg Talkgast bei SPD-Abgeordneten Burkhard Lischka. Steffen Honig sprach mit dem Stasiunterlagen-Beauftragten

Von Steffen Honig 04.05.2018, 01:01

Wir haben eine neue Legislaturperiode, in der endgültig die Weichen für die Zukunft der Behörde gestellt werden sollen. Was ist Ihr Plan?

Roland Jahn: Der Bundestag hat 2016 beschlossen, dass der Bundesbeauftragte ein Konzept vorlegen soll zur dauerhaften Sicherung der Unterlagen durch Überführung des Stasi-Unterlagen-Archivs unter dem Dach des Bundesarchivs, dabei soll die Sichtbarkeit der Eigenständigkeit erhalten werden. Das ist das klare Ziel.

Aber ohne Termine.

Das ist ein Weg, den man in Schritten geht. Die Koalitionsvereinbarung besagt, dass zukunftsfeste Strukturen geschaffen werden sollen, um diese Akten zu nutzen. Sowohl von den Menschen, die in der DDR gelebt haben, als auch von den nachfolgenden Generationen. Gerade sie wollen wissen, wie diese Geheimpolizei in die Familie eingegriffen hat und fragen: Was war mit Oma und Opa? Warum hat sich der eine mit der Stasi eingelassen oder warum saß der andere im Gefängnis? Auch Forschung und Medien wollen wissen, wie die Stasi gewirkt und wie Diktatur insgesamt funktioniert hat. Dafür ist das Stasi-Unterlagen-Archiv eine wahre Fundgrube. Gerade läuft eine neue Staffel der TV-Serie „Weissensee“ an. Auch die Autoren und Darsteller haben dieses Archiv genutzt.

Welchen Zeitplan gibt es? Bisher hat Sachsen-Anhalt zwei Außenstellen in Magdeburg und Halle. Werden sie zusammengelegt?

Die Entscheidung soll nach Bundestags-Vorgabe in dieser Wahlperiode getroffen werden. In diesem Zeitrahmen bereiten wir eine solche vor.

Geht es etwas genauer?

Es ist wichtig, dass die Akten in den ostdeutschen Ländern und Regionen, also dort, wo sie entstanden sind, verbleiben. Gerade weil sie auch eine Art Trophäe der friedlichen Revolution sind. Das Archiv hat somit eine Doppelfunktion: Als Monument eines Überwachungsstaates und als Symbol, dass es Menschen geschafft haben, diesen Staat wegzufegen.

Aber eine Entscheidung über Halle und/oder Magdeburg ist nicht gefallen?

Das wird Teil des Konzeptes sein. Klar ist, was uns auch die von Ex-Ministerpräsident Wolfgang Böhmer geleitete Expertenkommission mit auf den Weg gegeben hat: Wir wollen die Archivstandorte langfristig sichern. Archivgerechte Lagerung bedeutet allerdings Investitionen. Wir wollen die Archive also auf eines pro ostdeutsches Bundesland zusammenlegen, aber weiter unseren bürgernahen Service fortsetzen. In Sachsen-Anhalt soll es ein Archiv und zwei Außenstellen geben.

Die Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst sollten ursprünglich 2019 enden. Nun sind sie weiter legitim. Noch jahrzehntelang?

Auch das wird der Bundestag entscheiden. Die Regierung hat im Koalitionsvertrag die Möglichkeit für weitere Überprüfungen bis 2030 verabredet. Das muss noch Gesetz werden. Ich denke, es ist jedem klar, dass Transparenz gerade in den Parlamenten und im öffentlichen Dienst wichtig ist. Der Einblick in die Stasi-Akten hilft, die Biografien differenziert zu betrachten.

In Sachsen-Anhalt rückt die Opferbetreuung stärker in den Vordergrund. Markiert das den Weg für die künftige Arbeit der Behörde?

Wir müssen insgesamt die SED-Diktatur betrachten und uns nicht zu sehr auf die Staatssicherheit fixieren. Deshalb ist es wichtig, dass es einen Bundesbeauftragten zur Aufarbeitung der SED-Diktatur auch für die Zukunft geben sollte, der im Auftrag des Bundestages aktiv ist und damit auch die jeweiligen Landesbeauftragten unterstützt. Und der deutlich macht, dass es sich hier um eine gesamtdeutsche Angelegenheit handelt. Es hat sich gezeigt, dass Opfergruppen wie Zwangsadoptierte, Opfer sexueller Gewalt, Doping- oder Psychiatrieopfer mehr Hilfe brauchen. Dazu kommen grundsätzliche Fragestellungen, die behandelt werden müssen, so das Thema Rehabilitierung oder die Sicherung der Akten anderer staatlicher DDR-Stellen, die für die Aufarbeitung wichtig sind. Der Bundesbeauftragte ist Ombudsmann für die Opfer und sollte gleichzeitig die Brücke zur nächsten Generation schlagen. Es geht darum, das Leben in der DDR umfassend und differenziert zu betrachten.

Wir haben in Deutschland einen Rechtsruck, der sich in den Wahlerfolgen der AfD manifestiert. Dabei wird auch Gedankengut der Hitler-Diktatur lebendig. Was kann Ihre Behörde tun, um dem etwas entgegenzuwirken?

Mit Blick auf die Vergangenheit können wir Einiges an Werten für die Gegenwart vermitteln. Es geht um den Wert von Freiheit und Menschenrechten. Das beginnt beim Artikel 1 des Grundgesetzes, der die Unverletzlichkeit der Würde des Menschen festschreibt. In der DDR ist diese Würde mit Füßen getreten worden, in der Bundesrepublik haben wir eine Demokratie, die diese Werte hochhält. An diesem Maßstab der Menschenrechte müssen sich alle Parteien messen lassen, wenn sie ihre Agenda formulieren.