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Reform Kaum Chancen für die Grundrente

Die Rentenreform von Sozialminister Hubertus Heil sorgt für viel Kritik. Warum das Modell mehr Ungerechtigkeiten bei der Rente schafft.

Von Silke Janko 17.02.2019, 00:01

Magdeburg/Berlin l Die Bundesregierung unternimmt erneut einen Anlauf gegen Altersarmut in Deutschland – wieder mit einem neuen Rentenvorschlag, der dieses Mal Grundrente genannt wird. Und man ahnt es schon, das Projekt von Bundessozialminister Hubertus Heil (SPD) wird so nicht durchsetzbar sein, ganz genau so wie das seiner Vorvorgängerin Ursula von der Leyen (CDU), die im Jahre 2012 eine Lebensleistungsrente in Höhe von 850 Euro durchsetzen wollte.

Nicht etwa, weil nicht genug Geld – sowohl in der Staats- als auch in der Rentenkassse – vorhanden wäre, sondern deshalb, weil die Einführung einer Grundrente enorme Unwuchten in das System der Rentenversicherung bringen würde.

Der Streit dreht sich derzeit zwar vor allem um die Bedürftigkeitsprüfung, die Heil ablehnt, die CDU aber verlangt. Würde er hier nachgeben, wäre das gesamte Grundrenten-Modell futsch: Denn Rente richtet sich nach erworbenen Ansprüchen durch eingezahlte Beiträge, nicht nach sozialer Bedürftigkeit. Würde man bei einer Grundrente eine Bedürftigkeitsprüfung einführen, könnte der Betreffende gleich Grundsicherung beantragen und so zum Sozialamt gehen. Von Respekt gegenüber der Lebensleistung, so wie es Heil immer wieder betont, bliebe dann nicht mehr viel übrig.

Viel kniffliger wird es, wenn es ins Detail geht. Grundrente soll derjenige erhalten, der 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt hat. Wer 35 Jahre Teilzeit gearbeitet hat, hat also Anspruch. Wer 33 Jahre zum Mindestlohn Vollzeit gearbeitet hat, geht leer aus. Da hört dann der Respekt vor der Lebensleistung ganz schnell auf.

Viel entscheidender dürften allerdings für das Rentensystem die Details sein, die gegenwärtig gar nicht im Fokus der Debatte stehen. Mit der Grundrente sollen unterdurchschnittliche Beiträge aufgewertet werden – auf 0,8 Entgeltpunkte. Das wäre so, als ob der Betreffende 80 Prozent des Durchschnittslohnes verdient hätte und entsprechende Beiträge eingezahlt hätte. Was der Durchschnittsverdiener dazu sagen wird, wenn er am Ende nur ein paar Euro mehr Rente hat, kann man sich leicht denken.

Im Kern geht es darum, die in die Rentenkasse gezahlten Beiträge hier unterschiedlich zu gewichten: Der Euro des Niedrigverdieners wird hier höher bewertet als der des Normalverdieners oder des Spitzenverdieners. Solche Vorschläge gab es bereits mehrfach aus dem linken Parteienspektrum. Die sind aber immer unter Verweis auf rechtliche Bedenken abgelehnt worden. Jetzt liegen sie wieder auf dem Tisch. Das wäre der Einstieg in ein Grundrentenmodell für alle und das Ende des bisherigen Grundsatzes, dass höhere Beiträge auch höhere Renten generieren.

Heils Grundrente ist nicht der große Wurf, um Altersarmut wirksam zu bekämpfen. Die Ursache dafür, dass vor allem die Einkünfte von Niedriglohnbeziehern nicht für eine auskömmliche Rente reichen, liegt im Niedriglohnsektor, der sich nach Einführung von Hartz IV stark vergrößert hatte. Aber auch in der Rentenformel, die unter Rot-Grün seit 2001 mit zahlreichen Kürzungsfaktoren versehen wurde und dadurch zu einer Absenkung des Rentenniveaus geführt hatte.

Es liegt in der Natur der Sache: Wenn nur an einer Schraube gedreht wird, gerät das gesamte Gefüge in Schieflage. Der große Wurf wäre hier, das gesamte System zu reformieren und die Zahl der Beitragszahler zu vergrößern, inklusive Beamte. Es ist längst nicht mehr vermittelbar, dass der Staat es sich weiterhin leistet, von seinen Dienern keine Altersvorsorgebeiträge zu verlangen und auf der anderen Seite Beitragszahler, die ihr Leben lang eingezahlt haben, nicht mehr vor Altersarmut schützen kann.