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Russland Putin kann gar nicht verlieren

Russlands Präsident Putin will am 18. März wieder gewählt werden. Es wird wohl seine letzte Amtszeit sein.

Von Friedemann Kohler, dpa 22.12.2017, 23:01

Moskau l Wladimir Putin führt Russland seit 18 Jahren, nun steuert er auf weitere sechs Jahre als Präsident im Kreml zu. Die Wahl am 18. März ist Formsache: Putin kann gar nicht verlieren. Das liegt an seiner ungebrochen hohen Popularität in der Bevölkerung, und für den Rest sorgt die politische Steuerkunst des Kremls.

„Die Wahl hat noch gar nicht angefangen, da ist sie auch schon vorbei“, beschwerte sich die Zeitung „Wedomosti“. Tatsächlich war die einzige spannende Frage, wann Putin seine Kandidatur erklären würde, und das hat er Anfang Dezember in der Stadt Nischny Nowgorod getan.

Doch über dem Wahlwinter liegt ein kalter Hauch von Endzeit. Weil die Verfassung nur zwei Amtszeiten nacheinander zulässt, könnten die Jahre bis 2024 Putins letzte im Kreml sein. Dann wird er, so fit und sportlich er sich auch zeigt, 71 Jahre alt sein.

Überraschungen sind nicht ausgeschlossen – eine Verfassungsänderung oder eine Rochade wie 2008, als Putin Dmitri Medwedew in den Kreml setzte und selbst als Regierungschef die Fäden zog. Doch die meisten Experten in Moskau gehen von einem Ausscheiden Putins aus. Sie zerbrechen sich schon vor der Wahl den Kopf, wohin Putin das größte Land der Welt bis 2024 führen wird – und wer ihm nachfolgen könnte.

„Das Maximale, was Putin anbieten kann, ist der Status quo, dass die Dinge wenigstens nicht schlechter werden“, so der Politologe Andrej Kolesnikow vom Moskauer Ableger der Carnegie-Stiftung. Aber es könnte auch sein, dass der Kurs der Atommacht unruhiger wird.

Bei seiner Jahrespressekonferenz gab sich Putin als der Hüter von Stabilität in Russland. Er erinnerte sein Wahlvolk an die unruhigen und armen 1990er Jahre nach dem Zerfall der Sowjetunion. Und er warnte vor dem Beispiel der Ukraine mit ihren Massendemonstrationen und Umstürzen: „Wollen wir eine Neuauflage der Ukraine für Russland? Das wollen wir nicht, und das werden wir nicht zulassen.“

83 Prozent der Wähler wollten Putin wählen, berichtete das staatliche Umfrageinstitut Vziom in Moskau im Dezember. Doch dem Kreml ist der Vorsprung nicht sicher genug. Der Anti-Korruptions-Aktivist Alexej Nawalny, der seit einem Jahr Wahlkampf macht, wird wegen einer Vorstrafe nicht zugelassen. Das frühere It-Girl Xenia Sobtschak soll nun die absehbar maue Wahlbeteiligung hochtreiben. Dauerkandidaten wie Wladimir Schirinowski (Nationalist) und Grigori Jawlinski (sozialliberal) sind nur Staffage.

Putin steht vor einem bekannten Problem autoritärer Herrscher, die in die Jahre kommen: Wie bleibt das System erhalten, selbst wenn die Person wechselt? Die Rohstoffreichtümer Russlands sind in den vergangenen Jahren in den Händen seiner engsten Umgebung aus früheren Geheimdienstlern gelandet. Sie werden davon nicht lassen wollen.

Je näher ein Ende von Putins Amtszeit rückt, desto mehr Machtkämpfe wird es geben. Und Putin werde seine Stellung als oberster Schiedsrichter solcher Kämpfe allmählich verlieren, prophezeit Kolesnikow. Schon die derzeitigen spektakulären Verfahren vor russischen Gerichten lassen sich auch deuten als Anzeichen von Streit hinter den Kulissen: die Betrugsvorwürfe gegen Regisseur Kirill Serebrennikow, das Korruptionsurteil gegen Ex-Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew, milliardenschwere Klagen zwischen den Konzernen Rosneft und Sistema.

In mehreren dieser Prozesse spielt der mächtige Rosneft-Chef und Putin-Gefährte Igor Setschin eine Rolle. Ist er ein möglicher Erbe? Oder wird es Ministerpräsident Dmitri Medwedew, Ex-Finanzminister Alexej Kudrin, oder gar der tschetschenische Republikchef Ramsan Kadyrow? Oder ein junger Technokrat, derzeit irgendwo Regionalgouverneur, der Putin und dessen Umgebung Straffreiheit zusichert, wie dieser das mit seinem Vorgänger Boris Jelzin gemacht hat?

„Wir sollten nicht fragen, wer an Putins Stelle tritt, sondern was“, sagte der Ex-Oligarch und heutige exilierte Oppositionelle Michail Chodorkowski in einem Interview. Umfragen belegen, dass mehr Russen sich Reformen wünschen, sich engagieren wollen. Das betrifft nicht nur junge Anhänger Nawalnys, die zu Hunderten und Tausenden seine Kundgebungen besuchen und dafür Ärger in Schule und Uni oder Arrest riskieren.