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US-Präsident Die Trump-Show kann beginnen

Magdeburger Politik-Professor erklärt im Volksstimme-Interview, warum er mit Blick auf Donald Trump zwar Sorgen, aber keine Angst hat.

19.01.2017, 23:01

Magdeburg/Washington l Die Welt blickt gebannt auf die USA, wo Donald Trump an diesem Freitag als Präsident vereidigt wird. Im Volksstimme-Interview erklärt der Magdeburger Politikwissenschaftler Wolfgang Renzsch, was er vom neuen Mann im Weißen Haus hält.

Herr Renzsch, müssen die Deutschen vor Donald Trump Angst haben?

Wolfgang Renzsch: Also ich habe noch keine Angst – aber unwohl ist mir schon. Wir wissen im Moment noch nicht, wie der künftige US-Präsident regieren wird, wir stecken in einer großen Unsicherheit. Und so eine Unsicherheit ist natürlich Gift für eine gute Entwicklung.

Was macht Ihnen am meisten Kopfzerbrechen?

Vor allem die Außenpolitik. Wir haben in Europa seit 70 Jahren eine Friedensordnung, die im Wesentlichen auf dem transatlantischen Bündnis mit den USA und der europäischen Integration beruht. Wenn Trump nun die Nato infrage stellt und die Europäische Union für eine sterbende Organisation hält, dann besorgt mich das sehr. Sollte es die Nato und die EU künftig nicht mehr geben, dann hätten wir plötzlich nur noch lose Bündnisse und Strukturen, die im Zweifelsfall weiter zerfallen und damit letztlich einen Zustand wie vor 1914. Und damals folgten zwei Weltkriege. Insofern würde ich mir schon sehr wünschen, dass diese Friedensordnung erhalten bleibt.

Bei Trump stellt sich allerdings die Frage, ob er alles, was er sagt, auch so meint. Verfolgt er womöglich andere Ziele, als er zunächst auf den ersten Blick vorzugeben scheint?

Das könnte sein. Wir haben ja bereits beim künftigen US-Verteidigungsminister und beim Außenminister feststellen dürfen, dass sie ganz andere Meinungen vertreten. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass Trump noch andere Positionen einnehmen wird. Insofern treiben mich bislang ja auch nur Sorgen um, aber ich habe noch keine Angst.

Donald Trump hat offensichtlich ein völlig anderes Politikverständnis als die klassischen Eliten, die in Bündnissen und Vereinbarungen denken. Er tickt offenbar mehr wie ein Geschäftsmann, will Deals verhandeln und abschließen, braucht aber sonst keine weiteren Bindungen mehr.

Das könnte aber zur Folge haben, dass man in der Weltpolitik dauerhaft instabile Verhältnisse bekommt. Denn man weiß ja nie, was bei einem Deal herauskommt. Wenn ein Geschäftsmann ein Geschäft macht, dann kann das auch mal schiefgehen. Das muss noch nicht das Ende des Unternehmens bedeuten. Aber wenn man so in den internationalen Beziehungen vorgeht, in Fragen, wo es um Krieg und Frieden geht, dann kann das gefährlich werden.

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Stört sich Trump nicht in Wahrheit daran, dass sich die Europäer aus US-Sicht zu zaghaft finanziell in der Nato engagieren?

Das wird sicher so sein, darüber beklagen sich die USA schon länger. Aber selbst die Bundesregierung tut sich derzeit schwer, Trump in diesen Fragen einzuschätzen, da man weder zu ihm, noch zu seinen Beratern in der Vergangenheit engere Kontakte unterhielt. Hillary Clinton wäre für Berlin jetzt viel leichter einzuschätzen gewesen.

Die USA haben sich schon in der Amtszeit von Barack Obama aus dem Nahen Osten etwas zurückgezogen. Wird Trump daran anknüpfen?

Trump scheint nicht an Friedensordnungen für den Nahen Osten interessiert zu sein. Die Israelis will er dem Vernehmen nach vor allem militärisch unterstützen, Syrien scheint er Putin überlassen zu wollen. Ob das eine kluge Politik ist, ist eine ganz andere Frage.

Müssen die Europäer nun zusammenrücken?

Ich halte es durchaus für möglich, dass das passiert. Das mag in der ganzen Situation ein positiver Nebeneffekt sein. Eurokritische Regierungen wie in Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn leisten sich diesen Euro-Skeptizismus ja nur deshalb, weil sie ganz stark auf die USA setzen.

Insbesondere die polnische Denkweise war bislang ja davon geprägt, dass sie historisch schlechte Erfahrungen mit den Russen und Deutschen gemacht haben. Als Partner sahen sie dagegen vor allem die Amerikaner an. Und wenn sie nun auf einmal merken, dass die USA kein verlässlicher Partner mehr sind, dann wird für diese Staaten Europa wichtiger. So gesehen könnte Trump Europa stärken.

Nun hat der US-Präsident keine Allmacht, es gibt auch noch den Kongress in Washington. Wird dieser Trump bremsen können?

Der Präsident ist zwar sehr stark in den USA, aber seine Macht ist auch begrenzt. Viele Republikaner sind Trump gegenüber skeptisch eingestellt. Ein erheblicher Teil von ihnen ist wirtschaftsnah, steht zum Freihandel und dürfte insofern den Trumpschen Protektionismus sehr kritisch sehen. Viele halten auch die Nato nach wie vor für wichtig, sie wollen zudem den amerikanischen Einfluss in der Welt aufrechterhalten. Trump mag ja Recht haben, wenn er feststellt, dass die Amerikaner mehr Geld ausgeben. Aber er unterschätzt hierbei, dass sie sich mit diesem Geld auch Einfluss einkaufen.

Soweit Trump bei seinen Vorhaben die Unterstützung des Kongresses braucht, wird er sicherlich Zugeständnisse an die Republikaner machen müssen. Nicht jede extreme Position und radikale Forderung wird er insofern in reale Politik umsetzen können. Nichtzuletzt war es in den USA schon immer so, dass das Amt die Person geprägt hat und nicht umgekehrt.

Wie wird Trump die USA innenpolitisch verändern?

Die USA haben sich schon verändert. Viele Landstriche sind heruntergekommen, Industriezentren wie Detroit sind verarmt. Bei meinen jüngsten USA-Reisen habe ich zerfallene Gegenden gesehen, wie wir sie hier in Ostdeutschland unmittelbar nach der Wende hatten. Kurzum, die Spanne zwischen sehr wohlhabenden und zerfallenen Gegenden ist mittlerweile enorm, die Ungleichheit hat über die vergangenen Jahrzehnte massiv zugenommen.

Trägt Barack Obama daran eine Mitschuld?

Nein, er hat versucht, die Schere zwischen Armen und Reichen ein Stück weit zu schließen, hat die allgemeine Krankenversicherung eingeführt – die Trump nun wieder abschaffen will. Das wird dazu führen, dass ausgerechnet jene, die nun Trump gewählt haben, die einen starken Mann wollten, nun als Erstes die Leidtragenden seiner Politik sein werden. Und ich glaube kaum, dass es Trump mit seiner protektionistischen Politik gelingen wird, deutlich mehr Jobs zu schaffen.

Trump hat mit Stimmungen die Wahl gewonnen, weniger mit Fakten. Wird dieser Trend nach Europa schwappen?

Ist er schon, wir sehen europaweit Gewinne rechtspopulistischer Parteien, auch in Deutschland und Sachsen-Anhalt. Fakt ist aber auch, dass auch unsere Gesellschaft in den letzten Jahren auseinandergedriftet ist. Von daher wäre es schon wichtig, dass die etablierten Parteien gegensteuern, mehr für die soziale Gerechtigkeit tun. Gleiches gilt für die Sicherheit, die Polizei ist in den vergangenen Jahren kaputtgespart worden, ebenso wie die Infrastruktur.

Wie wird Trump die kommende Bundestagswahl beeinflussen?

Einerseits fühlen sich ja die Rechtspopulisten von Trump beflügelt. Auf der anderen Seite könnte Trump auch bewirken, dass die demokratischen Parteien zusammenrücken und Trump auch recht zügig viele Erwartungen seiner Befürworter enttäuscht. Insofern bleibe ich mal optimistisch und gehe davon aus, dass Trump eher dazu führt, dass Wähler wieder zu den demokratischen Parteien zurückkehren.

Infografik: Das erwarten die Deutschen von Trump | Statista
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