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Video-Affäre FPÖ-Chef Strache tritt zurück

FPÖ-Chef und Österreichs Vize-Kanzler Heinz-Christian Strache gibt nach der Video-Affäre seine Ämter auf. Wie geht es nun weiter?

18.05.2019, 08:43

Wien (dpa) l Österreichs Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist von allen Ämtern zurückgetreten. Der 49-Jährige zog damit die Konsequenzen aus der Affäre um ein brisantes Video, das 2017 heimlich auf Ibiza aufgenommen worden war. Es zeigt, wie Strache einer angeblichen russischen Oligarchin für Wahlkampfhilfe unter anderem öffentliche Aufträge versprach, sollte die FPÖ an die Regierung kommen. Ob Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) die Koalition mit der rechtspopulistischen FPÖ nun fortsetzen will oder auf eine Neuwahl setzt, blieb zunächst offen.

Strache entschuldigte sich für sein Verhalten. "Ja, es war dumm, es war unverantwortlich und es war ein Fehler", räumte er ein. Zugleich sprach er von einem "gezielten politischen Attentat" und einer "geheimdienstlich inszenierten Lockfalle". Er werde alle medienrechtlichen und strafrechtlichen Mittel ausschöpfen. Er betonte, dass es keine illegalen und rechtswidrigen Vorgänge und Handlungen gegeben habe.

"Es war eine b'soffene G'schicht und ich war in einer intimen Atmosphäre verleitet, auch unreflektiert und mit lockerer Zunge über alles und jedes zu polemisieren. Und ja, meine Äußerungen waren nüchtern gesehen katastrophal und ausgesprochen peinlich", sagte Strache auf einer Pressekonferenz in Wien. Auch der FPÖ-Fraktionschef Johann Gudenus, der bei dem Treffen auf Ibiza als Dolmetscher fungierte, legte alle politischen Ämter nieder.

Zunächst blieben die Folgen des Rücktritts für die Regierung in Österreich unklar. Bundeskanzler Kurz verschob mehrfach ein erwartetes Statement. Ein Platzen der seit 2017 regierenden Koalition von ÖVP und FPÖ galt zunächst als wahrscheinlich. Allerdings war auch ein Weiterregieren mit der FPÖ oder sogar eine Minderheitsregierung denkbar. Im Fall der Fortsetzung der Koalition war der aktuelle Verkehrsminister und designierte FPÖ-Chef Norbert Hofer als Vizekanzler vorgesehen. Die Krisensitzung im Kanzleramt war zeitweise begleitet von lautstarken Protesten von mehreren Tausend Demonstranten, die eine Neuwahl forderten.

In Deutschland riefen die Turbulenzen im Nachbarland eine Woche vor der Europawahl heftige Reaktionen hervor. Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte, das brisante Video zeige, dass Rechtspopulisten in Europa, egal in welchem Land, bereit seien, das Interesse ihres Landes für ihr eigenes Wohlergehen zu verkaufen. SPD-Chefin Andrea Nahles hielt CDU/CSU im "Spiegel" vor, seit Monaten am rechten Rand zu lavieren, um dort noch Stimmen einzusammeln.

Grünen-Chefin Annalena Baerbock sagte der "Welt am Sonntag": "Dieser ungeheuerliche Skandal zeigt, Rechtspopulisten verachten unsere Werte wie Pressefreiheit und Rechtsstaatlichkeit und arbeiten an der systematischen Aushöhlung der Demokratie." Die FDP-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Nicola Beer, erklärte in einer Mitteilung, der Skandal zeige, "mit welch windigen Politikern und Parteien die AfD in Europa gemeinsame Sache machen will". Von der AfD gab es zunächst keine offizielle Reaktion. Von der AfD gab es zunächst keine offizielle Reaktion.

Das von "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" verbreitete Video aus dem Jahr 2017 zeigt Strache im einem Gespräch mit einer angeblichen russischen Oligarchin. Dabei geht es unter anderem um die Idee, die Frau solle die auflagenstärkste Zeitung Österreichs, die "Kronen Zeitung" erwerben, die FPÖ publizistisch fördern und im Gegenzug öffentliche Aufträge erhalten, sobald die Partei an der Regierung ist. 

Infografik: Österreich rückt nach rechts | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Das Video entstand wenige Monate vor der Nationalratswahl 2017. Damals hatte die ÖVP unter Sebastian Kurz gerade die Koalition mit der SPÖ beendet. Bei der Wahl kam die FPÖ auf 26 Prozent. Seit Dezember 2017 regieren ÖVP und FPÖ gemeinsam. Das Bündnis legte großen Wert auf eine harmonische Zusammenarbeit. Allerdings gab es auch immer wieder Differenzen. Zuletzt hatte die ÖVP die Nähe der FPÖ zu den rechtsextremen Identitären kritisiert.