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Weiße Rose Widerstand bis in den Tod

Mit Anti-Hitler-Parolen wehrten sich Hans und Sophie Scholl gegen die Nazis. Dafür mussten sie vor 75 Jahren sterben.

Von Aleksandra Bakmaz 21.02.2018, 23:01

München (dpa) l „Freiheit“ schrieb Sophie Scholl auf die Rückseite ihrer Anklageschrift. Das Wort Freiheit stand auch auf den Flugblättern, die sie mit ihrem Bruder Hans Scholl und anderen Mitstreitern der Widerstandsbewegung „Weiße Rose“ gegen die Schreckensherrschaft von Adolf Hitler verteilt hatte. Die beiden Studenten werden dafür am 22. Februar 1943 von den Nationalsozialisten ermordet. Das ist nun 75 Jahre her.

Tod durch die Guillotine: So hatte der Präsident des Volksgerichtshofes, Roland Freisler, nur wenige Stunden vor der Hinrichtung der Geschwister Scholl geurteilt. Zuerst musste Sophie ihren Kopf unter das Fallbeil im Gefängnis München-Stadelheim legen, dann ihr älterer Bruder. „Es lebe die Freiheit!“, ruft Hans Scholl kurz vor der Hinrichtung. Ein Satz, der in die Geschichte eingeht.

Nur vier Tage zuvor – an einem Donnerstagmorgen – wird das Schicksal der beiden Widerstandskämpfer besiegelt. Am 18. Februar 1943 betreten Hans und Sophie Scholl mit einem Koffer voller Flugblätter die Münchner Universität, an der er Medizin und sie Biologie und Philosophie studiert. Es ist das sechste Flugblatt der „Weißen Rose“: „Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen zurück“.

Hausmeister Jakob Schmid beobachtet, wie die Geschwister die Flugblätter von der Balustrade des Lichthofes im Foyer der Universität fallen lassen, und liefert sie der Gestapo aus. Noch am selben Tag werden Sophie und Hans Scholl verhaftet – damals sind die beiden erst 21 und 24 Jahre alt. Grundlage für das Todesurteil der Geschwister unter anderem wegen „Wehrkraftzersetzung“ sind Gestapo-Vernehmungsprotokolle. Die Kommissare verhören die beiden tagelang. Erst als Sophie vom Geständnis ihres Bruders erfährt, ist sie bereit, selbst eines abzulegen. „Ich bereue meine Handlungsweise nicht und will die Folgen auf mich nehmen“, sagt sie.

Sich für eine gerechte Sache einzusetzen, hätten die Geschwister Scholl aus ihrem liberal-protestantische Elternhaus mitbekommen, sagt Theologe Robert Zoske, der sich in seiner Biografie „Flamme sein!“ der „Weißen Rose“ widmet. Der Vater Robert Scholl habe im Ersten Weltkrieg als Sanitäter gearbeitet. Die Mutter Magdalene sei eine evangelische Krankenschwester gewesen.

Den Eltern wird erst kurz vor der Hinrichtung ein Besuch bei ihren Kindern gewährt. Um 17 Uhr werden die Geschwister Scholl und Christoph Probst mit der Guillotine hingerichtet. „Tobend, schreiend, bis zum Stimmüberschlag brüllend“: So habe der Richter den Prozess geführt, schreibt ein Zeuge.

Vor den Festnahmen hatte die „Weiße Rose“ ihre Aktivitäten nach der Schlacht von Stalingrad verstärkt. Sie versuchten, eine Welle des Widerstands auszulösen. „Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weiße Rose lässt Euch keine Ruhe“, heißt es im vierten Flugblatt.

Als Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 in der Münchner Universität festgenommen wurden, hatten sie das sechste Flugblatt der „Weißen Rose“ verteilt. Entworfen hat es Professor Kurt Huber; Hans Scholl und Alexander Schmorell nahmen Korrekturen vor. Hier der Wortlaut:

Kommilitoninnen! Kommilitonen!
Erschüttert steht unser Volk vor dem Untergang der Männer von Stalingrad. Dreihundertdreißigtausend deutsche Männer hat die geniale Strategie des Weltkriegsgefreiten sinn- und verantwortungslos in Tod und Verderben gehetzt. Führer, wir danken dir!
Es gärt im deutschen Volk: Wollen wir weiter einem Dilettanten das Schicksal unserer Armeen anvertrauen? Wollen wir den niedrigsten Machtinstinkten einer Parteiclique den Rest unserer deutschen Jugend opfern? Nimmermehr! Der Tag der Abrechnung ist gekommen, der Abrechnung der deutschen Jugend mit der verabscheuungswürdigsten Tyrannis, die unser Volke erduldet hat. Im Namen des ganzen deutschen Volkes fordern wir vom Staat Adolf Hitlers die persönliche Freiheit, das kostbarste Gut der Deutschen zurück, um das er uns in der erbärmlichsten Weise betrogen. In einem Staat rücksichtsloser Knebelung jeder freien Meinungsäußerung sind wir aufgewachsen. HJ, SA und SS haben uns in den fruchtbarsten Bildungsjahren unseres Lebens zu uniformieren, zu revolutionieren, zu narkotisieren versucht. „Weltanschauliche Schulung“ hieß die verächtliche Methode, das aufkeimende Selbstdenken und Selbstwerten in einem Nebel leerer Phrasen zu ersticken. (...)

Es gibt für uns nur eine Parole: Kampf gegen die Partei! Heraus aus den Parteigliederungen, in denen man uns politisch weiter mundtot halten will! Heraus aus den Hörsälen der SS-Unter- und -Oberführer und Parteikriecher! Es geht uns um wahre Wissenschaft und echte Geistesfreiheit! Kein Drehmittel kann uns schrecken, auch nicht die Schließung unserer Hochschulen. Es gilt den Kampf jedes einzelnen von uns um unsere Zukunft, unsere Freiheit und Ehre in einem seiner sittlichen Verantwortung bewußten Staatswesen.

Freiheit und Ehre!
Zehn lange Jahre haben Hitler und seine Genossen die beiden herrlichen deutschen Worte bis zum Ekel ausgequetscht, abgedroschen, verdreht, wie es nur Dilettanten vermögen, die die höchsten Werte einer Nation vor die Säue werfen. (...)
Der deutsche Name bleibt für immer geschändet, wenn nicht die deutsche Jugend endlich aufsteht, rächt und sühnt zugleich, ihre Peiniger zerschmettert und ein neues geistiges Europa aufrichtet. Studentinnen! Studenten! Auf uns sieht das deutsche Volk! Von uns erwartet es, wie 1813 die Brechung des Napoleonischen, so 1943 die Brechung des nationalsozialistischen Terrors aus der Macht des Geistes. Beresina und Stalingrad flammen im Osten auf, die Toten von Stalingrad beschwören uns!

„Frisch auf mein Volk, die Flammenzeichen rauchen!“
Unser Volk steht im Aufbruch gegen die Verknechtung Europas durch den Nationalsozialismus, im neuen gläubigen Durchbruch von Freiheit und Ehre.“