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Sonntagskrimi „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg erzählt Sarahs Geschichte

Die Geschichte einer lebensmüden Frau rückt der „Polizeiruf 110“ aus Magdeburg in den Mittelpunkt. Es ist ein leiser, behutsamer Krimi. Und das letzte Filmprojekt des jung gestorbenen Pablo Grant.

Von Sabrina Gorges, dpa 04.05.2025, 06:10
Dieser „Polizeiruf“ war das letzte Filmprojekt des Schauspielers und Musikers Pablo Grant (1997-2024).
Dieser „Polizeiruf“ war das letzte Filmprojekt des Schauspielers und Musikers Pablo Grant (1997-2024). Stefan Erhard/MDR/filmpool fiction/dpa

Magdeburg - Scheinwerfer, die schnell näher kommen. Dann ein plötzliches Bremsen. Reifen quietschen. Ein dumpfer Aufprall. Ein Auto erfasst nachts auf regennasser Straße mitten im Wald einen Menschen. 

Eine nervös rauchende Frau beobachtet das Geschehen im Schutze der Dunkelheit. Sie ist nicht geschockt, sondern vorbereitet. Sie hat das hübsch zurechtgemachte Unfallopfer - eine Frau - zuvor ermutigt, auf die Straße zu treten und dem Autofahrer keine Chance zu lassen. Aber warum? 

Unfall mit Fahrerflucht oder doch mehr?

Als Kriminalhauptkommissarin Doreen Brasch (Claudia Michelsen) bei Tagesanbruch den Unfallort erreicht, stellt sie fest, dass das Opfer noch lebt. Doch es gibt lange Zeit keinen Hinweis auf die Identität der Frau. Und obwohl eigentlich für einen Unfall mit Fahrerflucht nicht zuständig, spürt Brasch entgegen den Bitten und Anweisungen von Kriminalrat Uwe Lemp (Felix Vörtler) dem Ganzen nach. 

Ihre Ermittlungen beginnen mit Dorota, die in einem Wohnwagen nahe dem Unfallort als Sexarbeiterin ihr Geld verdient. Für Brasch ist sie eine mögliche Zeugin, für den Zuschauer ist sie die nervöse Frau mit der Zigarette. Die Unfallzeugin im Hintergrund. Was weiß sie?

Das Erste zeigt die neue Magdeburger „Polizeiruf 110“-Folge „Widerfahrnis“ heute Abend (4. Mai) um 20.15 Uhr. Regie führte der 1982 in Wien geborene Umut Dağ. Zora Holtfreter und Lucas Thiem schrieben das Drehbuch des 20. Falls aus Sachsen-Anhalts Landeshauptstadt. 

Es war das letzte Filmprojekt des Schauspielers und Musikers Pablo Grant (1997-2024). Er spielte bis zu seinem unerwarteten Tod am 6. Februar 2024 im Magdeburger „Polizeiruf“-Team den Kriminalobermeister Günther Márquez. Die letzte Sequenz von „Widerfahrnis“ gehört ihm: „Danke, Pablo“ ist da zu lesen.

Geschichte auf zwei Zeitebenen 

Während das Unfallopfer mit Polytrauma und Schädelbruch im Koma liegt und nicht ansprechbar ist, ermittelt Brasch weiter. „Wenn sie jetzt stirbt, dann ist es, als hätte sie nie gelebt.“ Sie ist die alte Getriebene, die gefühlt rund um die Uhr arbeitet und nachts im Auto schläft. Lemp gerät darüber fast ins Flehen. „Lassen sie's ruhen. Lassen sie los“, sagt er zu ihr. Vergebens.

Brasch ist nicht zu stoppen. Sie weiß, dass etwas an diesem Autounfall nicht stimmt. Sie trifft auf die alleinerziehende Berna (Rona Özkan) und deren kleine Tochter Aylin (Soraya Maria Efe). Bei ihr hat das Unfallopfer zuletzt gewohnt. Berna gibt der unbekannten Frau endlich einen Vornamen: Sarah (Mareike Sedl). Deren traurige Geschichte wird da bereits auf einer zweiten Zeitebene zwei Monate zuvor erzählt.

Der Magdeburger Stararchitekt René Tamm (Stephan Kampwirth) rückt in Braschs Fokus. Fest steht: Sarah hat ihn gekannt, gestalkt sogar. Doch Tamm will die Frau, die offenbar traumatisiert, lebensmüde und innerlich tot ist, zunächst nicht kennen. Auch dessen Frau Emma (Martina Ebm) gibt sich ahnungslos. Doch es gibt eine Verbindung zwischen allen, eine sehr tragische sogar. 

Ein leise erzählter Sonntagskrimi

Es vergeht knapp eine Stunde, da spricht die der Realität entrückte Sarah ihr erstes Wort. Bis dahin bedient sich Schauspielerin Mareike Sedl einer hervorragend platzierten Mimik und Gestik. Eine Erzählung im Schweigen, getragen von melancholischer Musik. Immer wieder wird in andere Perspektiven umgeschwenkt, Zeitachsen verschwimmen, kurz kommen weitere hinzu. 

Sarah will mit einem letzten Aufbäumen für Gerechtigkeit sorgen. Was für diesen behutsam erzählten Sonntagskrimi der Anfang ist, ist für sie das Ende ihrer bedauernswerten Lebensgeschichte. „In den letzten fünf Jahren war der Tod mein ständiger Begleiter“, ertönt ihre Stimme am Ende leise aus dem Off.

„Widerfahrnis“ ist alles andere als reißerisch und aufregend. Es ist ein leiser, stiller Krimi. Eine Zeitreise durch das Leben von Sarah, die eigentlich Sandra Polzin heißt. Und deren Leben fünf Jahre zuvor auf tragische Art aus den Fugen geraten ist. Das hat mir Architekt Tamm zu tun, der einmal aufgebracht zu Brasch sagt: „Sie können mir gar nichts. Es ist zu lange her.“ Regisseur Umut Dağ lässt Kommissarin Brasch tief in Geheimnisse eintauchen. Er mutet es den Zuschauern zu, dass „jede Wahrheit gefunden werden muss – auch wenn sie noch so schmerzhaft ist“, wie er selbst über seine Regiearbeit sagt.