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Mauerfall Wie der Osten Urlaub machte

Für viele Ostdeutsche war die Ostsee vor dem Mauerfall alljährliches Urlaubsziel. Andere reisten mit dem Trabi nach Karlsbad.

27.07.2019, 23:01

Berlin (dpa) l Mit dem Billigflieger für zwei Tage nach Oslo? Zum Shoppen nach New York? Oder wieder mal nach Mallorca? Für Millionen Deutsche waren solche Urlaubspläne lange illusorisch. Die Mauer stand zwischen dem Wunsch und der Realität. Die Zahl der Reiseziele blieb für DDR-Bürger bis zum Herbst 1989 überschaubar. Im Buch "Wie der Osten Urlaub machte. Die schönsten Ferienorte der DDR" schildern einige Ostdeutsche ihre Erlebnisse.

Das Recht auf Urlaub war in der Verfassung der DDR und im Gesetzbuch der Arbeit der DDR festgeschrieben. 1961 etwa stand jedem Werktätigen ein Grundurlaub von 12 Tagen zu. In den Jahren danach wurde er regelmäßig angehoben. 1975 etwa waren es schon 18 Tage.

"Urlaub am Wasser", "Ab in die Berge", "Ferienlager und Kinderkurheime" und "Im sozialistischen Ausland": Die Kategorien im Buch zeigen, dass trotz des geografisch stark beschränkten Reise-Radius' Abwechslung möglich war. Beliebt waren etwa FKK an der Ostsee und Wandern in Thüringen oder in der Sächsischen Schweiz. Aber: Selbst im eigenen Land gab es strengstens verbotene Ziele. Und Urlaub in den "sozialistischen Bruderländern" war auch mit Hürden und Schikanen verbunden.

Autor und Journalist Klaus Behling etwa beschreibt seinen Wunsch, den Brocken zu erklimmen. Der "romantische und von vielen Mythen umwobene Berg" konnte nur "von allen Seiten aus der Ferne betrachtet werden". Dann wagte er sich mit seiner Familie doch auf Wege, die schon Heinrich Heine bei seiner Harzreise beschritt. "Das ging genau bis 128 Meter nach dem Grenzschild gut. (...) Denn dann standen wir mit erhobenen Händen vor einer Kalaschnikow. (...) Ein Unteroffizier fragte brüllend, ob wir nicht lesen könnten." Die Ordnungswidrigkeit kostete jeden Wanderer zehn Mark.

Uli Jeschke schildert die unschönen Seiten von Reisen in die östlichen Nachbarländer. Größte Hürde: Der Höchst-Umtauschsatz. Pro Tag lag er etwa für die CSSR pro Person bei 40 Mark. "Weil die Kronen trotz allen Tricksens immer knapp blieben, waren die Fahrten akribisch nach Benzinverbrauch geplant." Nahrungsmittel nahm sich Jeschke mit. Und: "In Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Polen und sogar in der Sowjetunion musste man erfahren, dass ohne Devisen nur das übrig blieb, was die Westdeutschen nicht wollten." Der DDR-Bürger war "Tourist zweiter Klasse".

Das erlebte auch der spätere Buchhändler Daniel Bergner, dessen Eltern ein sehr knappes Reisebudget hatten. "Ein Urlaub am Balaton war für uns eine Utopie." Ihre einzige Auslandsreise führte die Familie ins Böhmische Bäderdreieck. In Karlovy Vary (Karlsbad) waren "wir als DDR-Bürger in einem Hotel untergebracht, "das dieser Bezeichnung kaum wert war", beschreibt er. Die Balkontür war verschlossen – mit dem Hinweis, dass das Betreten baupolizeilich untersagt ist. Warmes Wasser gab es nur eine halbe Stunde am Morgen.

"Wie armselig war doch unsere Unterkunft im Vergleich zu denen der Westtouristen! Sie residierten in vornehmen, gründerzeitlichen Villen und Kurhäusern." Und dann fiel dem jungen Daniel ein Coca-Cola-Stand auf. "Nach endlosem Hin und Her gab mein Vater nach, hatte allerdings nicht mit der Geschäftstüchtigkeit des Inhabers gerechnet, der, nachdem er bemerkt hatte, dass wir aus dem "Bruderland" DDR kommen, den Preis verdreifachte." Für 25 Ostmark trank er schließlich die teuerste Cola seines Lebens.

Doch auch im eigenen Land war der DDR-Bürger Tourist Zweiter Klasse. Im Interhotel "Panorama" in Oberhof sind nur wenige Tische belegt, als Bergner mit seiner Familie dort essen gehen will. Ein Schild weist darauf hin, zu warten, bis ein Tisch zugeteilt wird. Doch dem Vater "riss der Geduldsfaden" – und die Familie nimmt an einem der freien Tische Platz. "Solch kellnerunfreundliches Verhalten blieb in der DDR naturgemäß nicht ungestraft." Die Familie wird nicht bedient. Als der Vater einen Eintrag ins Beschwerdebuch ins Spiel bringt, werden die Gäste doch noch bedient – "mit einer gehörigen Portion Unfreundlichkeit".