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Meinung Warum wird die Grippe ignoriert?

Die Flut an Covid-19-Nachrichten kann überwältigend wirken. Warum wir trotzdem über Corona berichten.

03.03.2020, 15:21

Magdeburg l "10.000 Menschen sterben jährlich an der Grippe, wo bleiben da die Schlagzeilen?" So oder so ähnlich lesen sich einige Kommentare zum Coronavirus in den Sozialen Medien, ob als allgemeine Feststellung oder als direkte Reaktion auf einzelne Artikel. In der Hoffnung, dass diese Fragen zumindest nicht alle rhetorisch gemeint sind - das würde diesem Beitrag seinen Sinn nehmen - folgen also ein paar Erklärungen.

Zunächst, woher diese Reaktionen überhaupt kommen: Der neue Coronavirus ist aktuell das große Medien-Thema und dürfte das noch eine Weile bleiben - besonders, da einige deutsche Bundesländer erst später betroffen sind.

Die Reaktionen auf Berichte reichen von Panik über Nervosität bis hin zu Genervtheit, oft unter dem Eindruck, es spiele plötzlich nichts anderes mehr eine Rolle - und das, obwohl der Coronavirus gar nicht so schlimm sei, heißt es gerne dazu. Ein gern genommenes, weil verwandtes Argument ist dabei die Grippe, und dass diese doch auch mal wieder Aufmerksamkeit verdiene.

Doch gerade, dass die Argumente für mehr Grippe und weniger Corona oft gleich klingen, zeigt auch, warum sich neue Berichte zur Grippe nur bedingt lohnen: Die Krankheit wird schon seit dem 18. Jahrhundert erforscht - genug Zeit also, sie größtenteils zu erfassen. Sterberate (etwa 0,1 bis 0,2 Prozent), Hochsaison (nasskalte Monate), Impfstoff (seit 1952) - das alles ist ein alter Hut, die Leute sind einfach an das Thema gewöhnt.

Covid-19 ist dagegen sehr neu, die Situation ändert sich täglich. Die Sterberate liegt noch bei etwa zwei Prozent, aber kann stark schwanken. Über die Hochsaison lässt sich noch gar nichts sagen und wann ein Impfstoff kommt, lässt sich bestenfalls abschätzen. Mindestens ein Jahr dürfte es noch dauern.

Neue Gebiete sind betroffen, die Zahl an Infizierten häuft sich, damit auch die Zahl der Toten und wieder Genesenen, zusammen mit aktuellen und möglichen wirtschaftlichen Entwicklungen.

Diese Welle an Informationen - darunter oft auch Falschmeldungen - muss erstmal bestätigt und verarbeitet werden, ihre mögliche Bedeutung dabei eingeschätzt. Das alles muss zudem noch schnell gehen, denn dank sozialer Medien gehen selbst kleine Meldungen in wenigen Minuten um die Welt und treffen dort auf ein lesebereites Publikum.

Der Bedarf an Informationen ist hoch, das bedeutet: Es wird so viel über den Coronavirus geschrieben, weil es viele lesen. Natürlich kann eine zu sensationalistische Berichterstattung falsche Ängste schüren und aufdringlich wirken, aber der hohe Informationsbedarf ist Voraussetzung dafür, dass der Coronavirus überhaupt so prominent Rolle in den Medien ist. Sonst würde alles auf taube Ohren fallen, die Artikel-Frequenz würde stark abnehmen.

Zumal es - auch wenn es manchmal anders aussehen mag - immer noch regelmäßige Berichte darüber gibt, was die Grippe seit Neuestem so treibt. Die Volksstimme deckt das Thema weiter in Print und Online ab, auf der Website gibt es sogar einen eigenen Liveticker zu dem Thema, und die jüngsten Artikel darin sind nur wenige Tage alt.