Sicherheit Die Angst bleibt

Nach einem Einbruch fühlen sich viele Opfer in ihren Häusern und Wohnungen nicht mehr sicher. Was tun?

Von Thorsten Fuchs 15.11.2017, 23:01

Hamburg/Freiburg l Burkhard Homburg und seine Frau kamen gerade aus dem Urlaub zurück, vier Wochen Neuseeland, als ihn die Nachricht erreichte; sie war gleichsam das traurige Willkommen, das sie am Flughafen empfing. Es habe einen Einbruch gegeben, eröffnete ihnen der Freund, der sie abholte. Zum Glück aber seien bloß die Sachen durchwühlt und etwas Modeschmuck gestohlen worden, nichts von größerem Wert, beruhigte er sie. Die Polizei sei auch schon da gewesen. Allerdings wusste der Freund nichts von dem Safe, den die Homburgs in ihrem Kleiderschrank untergebracht hatten.

Die Einbrecher aber hatten ihn gefunden – ebenso wie den Schlüssel, den die Homburgs in einem Raum versteckt hatten. Sämtlichen Schmuck, Erbstücke und Erworbenes hatten sie in dem Safe deponiert. Jetzt war er leer. „Da möchte man vor Wut gegen die Wand springen“, sagt der 75-jährige Rentner, früher Kundenberater einer Werbeagentur, aus der Nähe von Hamburg. „So ohnmächtig fühlt man sich.“

Das Ehepaar Homburg gehört zu den Hunderttausenden, die jedes Jahr in Deutschland Opfer eines Einbruchs werden. Nahezu kontinuierlich ist die Zahl der Einbrüche in Deutschland zuletzt gestiegen – von 106.000 im Jahr 2006 auf 167 .000 im Jahr 2015.

Für die Betroffenen bedeutet jedes dieser Verbrechen eine enorme Belastung, viele fühlen sich in ihrer eigenen Wohnung nie mehr wirklich sicher. Polizei und Politik schienen dem Phänomen lange Zeit ähnlich ohnmächtig gegenüberzustehen wie Burkhard Homburg seinem aufgebrochenen Haus. Für das vergangene Jahr belegt die Polizeistatistik jedoch zum ersten Mal seit Langem wieder einen Rückgang, auf insgesamt 151 .000 Einbrüche. Lediglich in Sachsen und Sachsen-Anhalt ging der Anstieg weiter. Ist das also nun eine Trendwende? Tatsächlich versuchten der Gesetzgeber und die Ermittler zuletzt gleich auf mehreren Wegen, das Sicherheitsgefühl der Bürger wieder zu stärken.

So erhöhte die Große Koalition zum Beispiel die Mindeststrafe für Einbruchdiebstahl von sechs Monaten auf ein Jahr. In mehreren Städten und Regionen wurden Sondereinheiten eingesetzt, die sich mit nichts anderem als Einbrüchen beschäftigen. Die KfW vergibt Zuschüsse und Darlehen, wenn Immobilienbesitzer ihre Häuser und Wohnungen einbruchsicher machen wollen.

Immer mehr Polizeipräsidien und Landeskriminalämter setzen zudem eine spezielle Analysesoftware ein, die aufgrund vorangegangener Straftaten vorhersagt, in welchen Vierteln die Gefahr eines neuen Einbruchs besonders hoch ist. Hilft das alles etwas? Oder ist das eher Aktionismus, um erschütterten Bürgern Tatkraft zu suggerieren?

Zumindest die Computerprogramme, die Innenminister und Polizeipräsidenten in den vergangenen Jahren öffentlichkeitswirksam präsentierten, machen die Welt offenbar nur unwesentlich sicherer. Die erste, gerade veröffentlichte wissenschaftliche Studie über das Programm „Precobs“ deutet auf einen nur bescheidenen Nutzen bei der Verminderung der Fallzahlen hin.

Dominik Gerstner vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg hat den Einsatz der Software in Stuttgart und Karlsruhe über ein halbes Jahr lang untersucht. Das Ergebnis: geringe, statistisch kaum von Zufallsschwankungen zu unterscheidende Effekte in den jeweiligen Alarmgebieten. Der seherische „Kommissar Laptop“, der den Ermittlern den Weg zum nächsten Verbrechen weist, bleibt bloße Fiktion. „‚Precobs‘ kann Polizeiarbeit in gewisser Weise effizienter machen, ist aber keine Wunderwaffe“, resümiert Gerstner.

Auch Strafverschärfungen halten Wissenschaftler für wenig effektiv. „Mögliche Täter studieren nicht das Strafgesetzbuch, bevor sie sich für eine Tat entscheiden“, sagt Gina Wollinger vom Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen. Höhere Strafen schreckten also nicht ab. Ohnehin sei über die Täter bei Einbrüchen herzlich wenig bekannt. Die Aufklärungsquote liegt bei unter 20, die Verurteilungsquote sogar bei unter drei Prozent. Die vor allem von Polizisten häufig geäußerte These, dass osteuropäische Banden für einen Großteil der Einbrüche verantwortlich seien, „wird durch die Daten nicht gedeckt“. Was hilft also wirklich gegen Einbrecher? 
 

Für effektiv hält Wollinger vor allem die hoch spezialisierten Ermittlergruppen, die das Vorgehen von Tätern eingehend analysieren, wie die Hamburger Soko „Castle“. Zudem liegt die Zahl gescheiterter Einbruchsversuche bei mittlerweile 40 Prozent – ein Zeichen, dass Immobilienbesitzer ihre Wohnungen besser sichern. Dennoch sieht Wollinger hier noch Möglichkeiten: „Einbruchsverordnungen, wie es sie etwa in den Niederlanden gibt, könnten Sicherheitsstandards auch für Mietwohnungen verbindlich machen.“ Die Täter, die bei Burkhard Homburg einbrachen, wurden nie gefasst. Der teure Schmuck, gesammelt und erworben als Altersvorsorge, ist verschwunden. Versichert war nichts. „Ich habe mich einfach darauf verlassen, dass wir in einem sicheren Land leben“, sagt er. „Das war natürlich dämlich.“