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Arbeitsplätze Die Luft in der Windkraftbranche wird dünn

Betriebsräte und die Gewerkschaft IG Metall befürchten, dass bald jeder fünfte Job in der Windkraft-Branche wegfällt.

Von Jens Schmidt 28.09.2017, 09:52

Magdeburg l Die Gewerkschaft IG Metall befürchtet erhebliche Arbeitsplatzverluste in der Windbranche. „Alle stehen massiv unter Druck“, sagt Heiko Messerschmidt, Sprecher der IG Metall Küste in Hamburg. Eine bundesweite Befragung unter Betriebsräten von 38 Unternehmen ergab, dass bald 20 Prozent aller Jobs wegfallen sollen. Das wären 1400 Arbeitsplätze. Die 38 Firmen beschäftigen derzeit 24.000 Menschen.

Erste Standorte haben bereits dichtgemacht. So der Turbinenhersteller Senvion in Husum und Trampe. Die Firma Powerblades kündigte für ihren Standort Bremerhaven das Aus zum Jahresende an. Mutterkonzern Senvion lehnte eine Rettung ab.

In Magdeburg erwischt es jetzt auch den ersten Betrieb. Die Rotorblattfertigung „Roma“ im Süden der Stadt schließt zum 31. Dezember. 140 Mitarbeiter stehen vor dem Aus. Der Betrieb, rechtlich zwar selbständig, ist offiziell „exklusiver Zulieferbetrieb“ für den Windrad-Riesen Enercon in Aurich. Zum Enercon-Firmengeflecht gehören in der Region Magdeburg etwa ein Dutzend Firmen mit insgesamt etwa 5000 Mitarbeitern. Wie die Volksstimme am Mittwoch erfuhr, ist Enercon oder einer seiner Zulieferer jedoch nicht bereit, die 140-Roma-Mitarbeiter in einer der Firmen weiter zu beschäftigen. Dem Vernehmen nach wurde der Belegschaft mitgeteilt, sie sollten bei Zeitarbeitsfirmen ihr Glück versuchen.

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister Armin Willingmann (SPD) forderte mehr Einsatz vom Konzern. „Unternehmen wie Enercon haben vom bisherigen Ausbau der Windenergie enorm profitiert. Insofern erwarte ich, dass sie in Krisenzeiten Verantwortung übernehmen und alles für die Beschäftigungssicherung tun.“

„Roma“ produziert die kleinen 1-Megawatt-Windkraftanlagen. Laut Enercon würden die in Deutschland kaum noch nachgefragt. Kleinere Stückzahlen gehen ins Ausland und sollen nun zunehmend dort hergestellt werden.

Die zurückgehende Produktion ist auch politisch verursacht. Um den Anstieg der Strompreise zu dämpfen, hatte die CDU-SPD-Koalition im Bund den Ausbau der Erneuerbaren gedrosselt. Hinzu kommt, dass es noch an Netzen fehlt, um die rasant anwachsenden Windstrommengen aus dem Norden in den Süden zu transportieren. 2017 werden nochmal weitere Windkraftwerke mit einer Leistung von 5000 Megawatt hinzukommen. Ab 2019 sollen es aber nur noch 2800 Megawatt pro Jahr sein.

Die Windbranche befürchtet jedoch, dass tatsächlich nur noch 1400 Megawatt realisiert werden. Hauptgrund: Mit dem neuen Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) werden bei der Vergabe von Windkraftarealen sogenannte Bürger-Energieprojekte bevorzugt. Darunter sind kommunale Genossenschaften, aber auch Stadtwerke, an denen sich Bürger mit Kapitaleinlagen beteiligen. Diese genießen derzeit Privilegien: So müssen sie bei der Vergabe noch keine Genehmigung vorlegen und haben zudem fast fünf Jahre Zeit zur Realisierung. Dadurch haben die Windmühlenhersteller jedoch keine Planungssicherheit. Bei den ersten beiden Vergaberunden im Mai und im August gingen 125 der 137 Zuschläge an Bürger-Projekte.

Sachsen-Anhalts Grüne fordern die neue Bundesregierung auf, das EEG schleunigst zu verbessern. „Das Ausschreibungsprozedere muss geändert werden“, sagt die Landtagsabgeordnete Dorothea Frederking. Außerdem sollte der Ausbaudeckel gehoben oder ganz abgeschafft werden.