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Coronakrise Gastwirte in Existenzängsten

Dehoga Sachsen-Anhalt will sich zur Wehr setzen / Zehntausende Jobs der Branche in Gefahr

28.10.2020, 23:01

Berlin/Magdeburg (dpa/bk/sj) l Der Lockdown light kommt. Restaurants, Bars, Klubs, Diskotheken und Kneipen werden ab Montag bis Ende November in ganz Deutschland geschlossen. Erlaubt bleibt aber die Lieferung und Abholung von Speisen für den Verzehr zu Hause.

Der Bundesverband Groß- und Außenhandel (BGA) hat die Schließungen der Gastronomie wegen steigender Corona-Infektionszahlen als „völlig unangemessen“ kritisiert. Für viele mittelständischen Betriebe könne das in der jetzigen Lage den Todesstoß bedeuten, sagte BGA-Präsident Anton Börner gestern. Es habe sich gezeigt, dass die Hygienekonzepte in der Gastronomie erfolgreich seien.

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) warnt, dass einem Drittel der 245 000 Betriebe bei einer erneuten Schließung das Aus drohe. Sachsen-Anhalts Dehoga-Präsident Michael Schmidt erklärt gegenüber der Volksstimme“ „Wir sind enttäuscht über die Politik.“ Selbst nach den Zahlen des Robert-Koch-Instituts wiesen Hotellerie und Gastronomie „kein relevantes Infektionsgeschehen“ auf. Sie seien „keine Pandemietreiber“.

Schmidt forderte, die betroffenen Unternehmer und auch die Firmen müssten durch den Staat unterstützt werden. „Beim ersten Lockdown haben die inhabergeführten Unternehmen nichts bekommen. Der Staat müsse Regelungen treffen, die den Ausfall bezogen auf den Vorjahresumsatz kompensieren. Außerdem kündigte er an, gegen eine entsprechende Landesverordnung vorzugehen. „Wir werden uns dazu juristischen Rat einholen. Wir lassen uns nicht noch einmal so abspeisen.“

Indes warnt die Chef der GEwerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Guido Zeitler: „Zehntausende Arbeitsplätze gehen verloren.“ Das sei aus Sicht der Beschäftigten, die sich bereits seit März in Kurzarbeit befinden, dramatisch.

Auch die Inhaber von Gaststätten in Sachsen-Anhalt treibt die Sorge um die Existenz um, wie sie gegenüber der Volksstimme erklärten. Roman Plate, Geschäftsführer des Schierker Harzressort: „Nachdem wir den Lockdown seit März einigermaßen überstanden haben und etwas Luft schnappen konnten, geht es wieder von vorn los. Obwohl wir hier im Oberharz in keiner Weise zu den Corona-Hotspots gehören, haben wir alle geforderten Hygienemaßnahmen umgesetzt haben. Wir haben hunderte Euro für Desinfektionsmittel ausgegeben und tausende für Masken.“

Oliver Kühn, Geschäftsführer vom Landgasthof Lostau (Jerichower Land) erzählt, dass es bereits ohne neuem Lockdown „schlimm genug“ sei. „Wir bekommen eine Absage nach der nächsten für unser sonst völlig ausgebuchtes Gänseessen.“ Kühn will im erneuten Lockdown wieder Speisen außer Haus anbieten, aber das federe natürlich den Verlust nicht ab. „Es ist eher eine psychologische Sache, ein Zeichen: Wir sind noch da. Und die Küche läuft weiter und steht sich nicht kaputt.“

Einar Krause, Inhaber des gleichnamigen Restaurants im Kulturhaus Salzwedel, sagt: „Wenn man mir garantieren kann, dass es nach einem Kurz-Lockdown heißt: So, jetzt sind wir durch, bin ich dabei. Aber ein Abschied auf Raten halte ich für nicht gerechtfertigt. Und die Überbrückung, die man uns Gastronomen zahlt, reicht ja lange nicht aus. Dann müssen wir wieder ans Eingemachte gehen. Und ich gebe zu bedenken, dass es seit März in Salzwedel keinen einzigen Corona-Fall mit Ursprung in einer Gaststätte gegeben hat.“

Am Dienstag veröffentlichten rund 30 führende Vertreter der Gastrobranche einen „Brandbrief“ an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten. Die Branchenvertreter zeichneten ein düsteres Bild: „Einen zweiten Lockdown überleben viele Betriebe der Branche nicht.“