Hasseröder Premium war einmal

AB Inbev wollte einst Hasseröder als Spitzenbier verkaufen - jetzt lässt der Konzern die Marke fallen.

01.06.2017, 23:01

Wernigerode l Das Bier mit dem Auerhahn im Wappen hat in den 1990er Jahren große Erfolge gefeiert. Bis heute behauptet Hasseröder im bundesweiten Größenvergleich Platz fünf, im Osten hält sich die Marke sogar mit einem Marktanteil von etwa zwölf Prozent an der Spitze. Dennoch droht der Traditionsbrauerei aus Wernigerode, deren Geschichte 145 Jahre zurückreicht, der Fall in die Bedeutungslosigkeit.

Am Donnerstag hat der weltgrößte Bier-Konzern AB Inbev der Volksstimme bestätigt, dass er wegen sinkender Absatzzahlen und schwieriger Wettbewerbs-Bedingungen in Deutschland über einen Verkauf der Traditions-Brauerei nachdenkt. Es müsse sich nur ein Interessent finden.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) hat die Nachricht mit gemischten Gefühlen aufgenommen. „Es wäre ja schön, wenn sich ein Unternehmen findet, das die Marke Hasseröder auch mal wieder voranbringt“, sagt etwa der Braunschweiger NGG-Geschäftsführer Manfred Tessmann. Der 64-Jährige ist seit der Wende für die Brauerei als Arbeitnehmer-Vertreter zuständig.

„Ich kann mich noch erinnern, als wir nach dem Zusammenbruch der DDR Sozialpläne verhandeln mussten – die damals 600 Mann starke Belegschaft war einfach zu groß“, erinnert sich Tessmann. Heute beschäftigt die Brauerei in ihrem Werk in Wernigerode rund 260 Mitarbeiter. Dass sie vor einer ungewissen Zukunft steht, habe der jetzige Eigentümer AB Inbev mitverschuldet, findet der Gewerkschafter.

2002 hat der belgisch-brasilianische Konzern die Harzer Brauerei übernommen und wollte sie als eine von drei Premium-Marken in Deutschland vertreiben. Das Brauerei-Logo zierte mehrere Jahre die Trikots der Bundesliga-Handballer des SC Magdeburg, 2010 folgte mit dem Sponsoring der Fußball-Weltmeisterschaft ein weiteres Superlativ für die Harzer. Danach wurde es jedoch zunehmend ruhiger um die Harzer.

Im Oktober 2015 wurde bekannt, dass der Inbev-Konzern die Nummer zwei der Bier-Welt, SAB Miller, schlucken will. Der Deal ging für knapp 94 Milliarden Euro über die Bühne. Seither, so beschreibt es NGG-Geschäftsführer Tessmann, müsse AB Inbev an allen Ecken und Enden sparen – zulasten deutscher Marken wie Hasseröder. „Die für Biere wichtige Werbung hat Inbev für Hasseröder massiv zurückgefahren – da braucht man sich doch nicht wundern, wenn auch der Absatz einbricht.“

Was Tessmann besonders empört: Für AB Inbev ist Hasseröder keine Premium-Marke mehr, sondern plötzlich nur noch eine Standardmarke. Das hat Konzern-Sprecher Oliver Bartelt im Prinzip auch so der Volksstimme mitgeteilt: „Wir konzentrieren uns auf unsere Premium-Marken Beck‘s, Franziskaner und Corona“, erklärte er auf Anfrage. Das gelte auch für den Bereich Werbung, man könne den Etat dafür eben nur einmal ausgeben.

Aus Sicht der Gewerkschaft ist das eine Strategie, die Hasseröder in die Bedeutungslosigkeit stürzen könnte. Denn im harten deutschen Wettbewerb werden gerade die Standard-Marken zunehmend von Premium-Marken verdrängt, weil diese vom Handel oft zu niedrigen Aktions-Preisen angeboten werden. Warum soll der Kunde noch eine Kiste Hasseröder kaufen, wenn es Premium-Marken wie Beck‘s zum gleichen Preis gibt? Konzern-Sprecher Bartelt hält dem entgegen, mit Werbung alleine könnten die Absatz-Probleme bei Hasseröder nicht gelöst werden.

Kritik übt die Gewerkschaft aber auch am Produktportfolio Hasseröders. Obwohl der Markt für alkoholfreie Biere in den vergangenen Jahren gewachsen sei, gebe es bis heute keine Version von Hasseröder. AB Inbev wiederum betont hierzu, um alkoholfreies Bier anbieten zu können, müsste bei Hasseröder in Wernigerode teuer nachgerüstet werden. Und zudem würde man auf die Weise nicht die Absatz-Rückgänge beim klassischen Bier in den Griff bekommen.

Bei der Gewerkschaft hofft man nun, dass sich ein Investor findet, der Hasseröder zu neuem Glanz verhilft. „Schließlich reden wir hier auch über eine der modernsten Brauereien Europas“, betont Manfred Tessmann.