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Landwirtschaft 35 Euro für bessere Tierhaltung

Würde jeder Bundesbürger im Jahr 35 Euro mehr für Milch, Fleisch und Eier bezahlen, ließen sich Tiere unter besseren Bedingungen halten.

Von Johanna Uchtmann 24.08.2020, 23:01

Berlin (dpa) l Mehr Platz im Schweinestall, angenehmere Bodenbeläge für Milchkühe: Um bessere Haltungsbedingungen in der Landwirtschaft mitzufinanzieren, müsste jeder Verbraucher einer neuen Berechnung zufolge pro Jahr im Schnitt 35,02 Euro mehr für tierische Produkte bezahlen. So viel könnte die von einer Expertenkommission empfohlene sogenannte Tierwohlabgabe den Durchschnittsbürger kosten.

Das geht aus einer Antwort des Bundeslandwirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Wenn die Empfehlung umgesetzt würde, entfielen demnach 23,80 Euro auf Fleisch, 4,72 Euro auf Eier und 6,50 Euro auf Milch und Milchprodukte.

Für die Berechnung hat das Ministerium den Durchschnittskonsum der Bundesbürger herangezogen. Das waren nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) im vergangenen Jahr pro Person 59,5 Kilo Fleisch, 118,2 Kilo Milch und 236 Eier.

Im Februar hatte eine Kommission unter Leitung des früheren Agrarministers Jochen Borchert Empfehlungen vorgelegt, um Verbesserungen in der Tierhaltung zu finanzieren. Sie schlug dafür eine Abgabe auf tierische Produkte vor, die als Verbrauchssteuer umzusetzen wäre.

Denkbar wären demnach Aufschläge von 40 Cent pro Kilogramm Fleisch und Wurst, 2 Cent pro Kilo für Milch und Frischmilchprodukte und 15 Cent pro Kilo für Käse, Butter und Milchpulver. Nach zahlreichen Corona-Infektionen in der Schlachtbranche waren Niedrigpreise für Fleisch erneut in die Kritik geraten, und es kam im Juni noch einmal Bewegung in die Diskussion um die Tierwohlabgabe.

In den Empfehlungen kritisierten die Experten Mitte Februar unter anderem zu wenig Platz im Stall, die teils schmerzhaften Eingriffe wie das Kürzen von Schnäbeln bei Legehennen und das hohe Leistungsniveau, also etwa möglichst viel Milch pro Kuh. Um dies und anderes zu verbessern, belaufe sich der Förderbedarf allein in der Anfangsphase auf etwa 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Das könnten zumindest zum Teil auch die Verbraucher finanzieren, denn: „Für die Erhebung von Steuern/Abgaben auf tierische Pro- dukte spricht, dass sich eine klima- und umweltpolitisch gewollte, moderate Lenkungswirkung ergibt und dass Bürgerinnen und Bürger proportional zu ihrem Verbrauch an tierischen Produkten belastet werden.“

Und das wollen die meisten Verbraucher auch, wie der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) unter Berufung auf Umfragen mitteilt. Preise müssten abbilden, was die Herstellung etwa von Fleisch unter fairen Bedingungen koste, sagte vzbv-Chef Klaus Müller am Montag. „35 Euro werden nicht sofort eine optimale Tierhaltung ermöglichen. Höhere Tierschutzstandards werden sich in einem höheren Fleischpreis niederschlagen, und umgekehrt rechtfertigen nur höhere Standards eine höhere finanzielle Belastung für Verbraucher“, sagte Müller. Flankiert werden müsse diese aber mit einer „ehrlichen, verlässlichen und verständlichen Tierwohlkennzeichnung sowie mit einem Ausgleich für Haus- halte mit zu geringem Einkommen“.

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) hatte sich im Juni für die von der Kommission empfohlene Tierwohlabgabe ausgesprochen. Das Konzept bekam Anfang Juli weiteren Rückenwind: Der Bundestag forderte die Bundesregierung mit breiter Mehrheit auf, noch bis zur Wahl 2021 eine Strategie vorzulegen.

Kritik kommt von der FDP, die bereits in ihrer Anfrage verstärkt darauf abzielt, dass sich hinter dem Begriff Abgabe doch eigentlich eine Steuer verberge. Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Frank Sitta kritisierte am Montag, Klöckner solle „Verbraucher und Öffentlichkeit nicht länger an der Nase herumführen und das Vorhaben weiterhin nur als ‚Abgabe‘ verklausulieren“. „Es ist abzusehen, dass das Geld aus einer Fleischsteuer überhaupt nicht zielgerichtet bei den Landwirten im Stall ankommen wird, sondern im Staatshaushalt versickert“, so Sitta.

In seiner Antwort erklärt das Landwirtschaftsministerium dazu, dass die Bezeichnung Abgabe ein Oberbegriff sei, unter den Steuern, Gebühren, Beiträge und Sonderabgaben fielen.