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Landwirtschaft Unruhige Zeiten bei Zuckerrüben-Bauern

Die Zuckerrübenernte in Sachsen-Anhalt läuft auf Hochtouren. Die Dürre schmälert die Erträge.

Von Massimo Rogacki 04.10.2019, 01:01

Klein Wanzleben/Hakenstedt l Im Akkord werden dieser Tage Zuckerrüben von Feldern in ganz Sachsen-Anhalt in die Fabriken gebracht. Den Überblick über einen sechs Hektar großen Acker in Hakenstedt (Landkreis Börde) hat René Markwirth vom Führerstand seiner „Rüben-Maus“. Mit der Landmaschine reinigt der 31-Jährige zunächst die Hackfrüchte. Über ein Transportband landen sie auf dem Lastwagen nebenan. Rund 30 Tonnen werden in sechs Minuten verladen. Dann setzt sich der Lkw rumpelnd in Bewegung. Das Ziel: Die Fabrik der Nordzucker AG in Klein Wanzleben (Landkreis Börde). 178 Mitarbeiter sind hier in der Fabrik und Ethanolanlage tätig, zudem 35 Kampagnenkräfte.

Seit Donnerstag läuft die diesjährige Zuckerrübenkampagne. Weitere zwei Produzenten gibt es neben Nordzucker im Land. Auch sie sind bereits gestartet. Südzucker hat sein Werk in Zeitz (Burgenlandkreis). Pfeifer & Langen in Könnern (Salzlandkreis).

Das Ergebnis dürfte bei allen eher durchwachsen ausfallen. Nordzucker will erste Prognosen Ende Oktober präsentieren. Problem: „Aufgrund der trockenen und heißen Witterung haben wir im zweiten Jahr in Folge mit einem unterdurchschnittlichen Ertrag zu rechnen“, sagt der Leiter des Rübenbüros, Harm-Henning Wolters. Teilweise erreichen die Rüben einen Zuckergehalt von über 20 Prozent (in der Regel sind es 17,5 bis 18,5 Prozent). Die Mindererträge können mit dem höheren Zuckergehalt aber nicht vollständig kompensiert werden, sagt Wolters. Zumindest dürfte die Ernte etwas besser als im Trockensommer des vergangenen Jahres ausfallen.

Auf dem Fabrikgelände in Klein Wanzleben herrscht unterdessen Hochbetrieb: 600 bis 700 Laster kommen täglich an. Aus rund 800 Betrieben wird das Werk beliefert. Von der Altmark bis nach Bernburg, von Zerbst bis nach Niedersachsen reicht das Einzugsgebiet. 1350 Landwirte arbeiten für Nordzucker in Klein Wanzleben.

Die ankommenden Laster kommen zunächst an die Brückenwaage. Hier funktioniert alles digital. Auf dem elektronischen Lieferschein sind alle Daten gespeichert. Herkunft, Menge, Qualität. Von jeder Fuhre wird eine Stichprobe (rund 50 Kilogramm) entnommen. Zuckergehalt und andere Qualitätsparameter ermitteln anschließend die Mitarbeiter des Rübenlabors. Für die Fabriken, die die Rüben zu Zucker verarbeiten, sind es unruhige Zeiten. Die bislang letzte Rübenernte war für Nordzucker mit einem Zuckerertrag um 10 bis 15 Prozent unter dem Vorjahr unterdurchschnittlich ausgefallen. Der weltweite Verfall des Zuckerpreises hatte die Nordzucker-Gruppe im vergangenen Geschäftsjahr in die roten Zahlen gedrückt. Ein Sparkurs ist die Folge. Produktionsabläufe werden effizienter gestaltet, zusätzlich wird Personal im Verwaltungsbereich abgebaut. Standorte in Deutschland schließen will der Konzern mit Hauptsitz in Braunschweig nicht, in Schweden wurden aber schon zwei Fabriken zusammengelegt. Konkurrent Südzucker hatte im Februar angekündigt, fünf Fabriken dichtzumachen. Für den Rübenmarkt galt lange eine Quote, um das Angebot zu regulieren. Vor zwei Jahren fiel sie weg. Der Wettbewerb ist schärfer geworden. Auf dem Weltmarkt kostet die Tonne Zucker 280 Euro. In Ländern wie Indien oder Thailand wird der Anbau staatlich subventioniert. Das drücke die Preise, sagt Cord Linnes, Geschäftsführer der Zuckerrübenanbauerverbände Magdeburg/Niedersachsen Ost.

Landwirte und Produzenten beklagen eine agrarpolitische Wettbewerbsverzerrung in der EU. In zahlreichen EU-Mitgliedstaaten erhalten Rübenanbauer gekoppelte Beihilfen. Zudem lassen Länder wie Polen oder Rumänien bestimmte Pflanzenschutzmittel zu, die in Deutschland verboten sind. Die Probleme für die Produzenten resultieren aus dem Zusammenspiel von unterdurchschnittlichen Erträgen, unfairem Wettbewerb und unterdurchschnittlichen Zuckerpreisen, so Linnes.

Auf dem Fabrikgelände liegt derweil ein angenehm süßlicher Geruch in der Luft. Über ein Fließband rasen die Hackfrüchte in die Rübenwäsche, in der Schneidemaschine verwandeln sie sich in schmale Schnitzel. Am Ende vieler Prozesse steht dann die Raffinade. Der fertige Zucker wird getrocknet, gekühlt und auf Förderbändern in Silos transportiert. Der größte Teil wird in loser oder flüssiger Form an die Lebensmittel- und Getränkeindustrie geliefert. Bis zum Ende der Kampagne – in diesem Jahr bereits kurz vor Weihnachten – wird der Betrieb in Klein Wanzleben auf Hochtouren weitergehen. Die Maschinen laufen 24 Stunden am Tag.