Petition Neue Wege gegen Ferkelkastration
Die Kastration von Ebern wird oft ohne Betäubung durchgeführt. Ein Großbetrieb aus Sachsen-Anhalt fordert dafür nun ein Verbot.
Magdeburg l Die Ferkel sind etwa drei Tage alt, wenn sie die Spritze bekommen, eine Spritze mit dem Wirkstoff Meloxicam, ein Schmerzmittel. Eine halbe Stunde später nimmt sich der Bauer das Ferkel, es quiekt. Ein Schnitt. Es quiekt weiter, ohne Hoden. Ein Wundmittel auf die Stelle. Drei Tage später ist die Wunde kaum noch zu sehen.
In etwa so werden Hunderttausende Schweine in Deutschland täglich kas- triert. Mit Schmerzmittel, aber ohne Betäubung. Dass es so nicht weitergehen soll, hat die Bundesregierung immer wieder bestätigt. Und zuletzt trotzdem das Verbot der betäubungslosen Ferkelkastration um zwei Jahre verschoben. Statt 2019 soll nun erst 2021 Schluss sein mit der Praxis. Bereits 2013 hatte der Bundestag das Verbot im Rahmen des Tierschutzgesetzes beschlossen, damals mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren.
Wie soll es nach Ablauf der nun siebenjährigen Übergangsfrist im Jahr 2021 weitergehen? In der Branche herrscht Uneinigkeit. Das von Julia Klöckner (CDU) geführte Bundeslandwirtschaftsministerium hat eine Verordnung auf den Weg gebracht, mit der Landwirte das Narkosemittel Isofluran bei der Ferkelkastration einsetzen können. Bisher brauchen sie dafür einen Tierarzt. Nach den Plänen sollen die Schweinehalter Schulungen zum Umgang mit Isofluran bekommen, bei der Anschaffung der Nakosegeräte sollen sie finanziell unterstützt werden. Einige Biobetriebe setzen bereits auf das Narkosegas.
Doch nicht alle finden das gut. Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsministerium unterstützt das Vorhaben des Bundes nicht. Ministerin Claudia Dalbert (Grüne) teilt dazu mit: „Eine Kastration entspricht nicht dem Tierwohl. Ich lehne auch die Pläne von Frau Klöckner ab, eine Inhalationsnarkose zuzulassen, die nicht durch eine Tierärztin vorgenommen wird.“
Überraschend einig ist sich die Ministerin dabei mit einem der größten Schweinezuchtbetriebe Deutschlands, der LFD Holding mit Sitz in Roßdorf bei Genthin (Jerichower Land). Die Holding ist die Nachfolgegesellschaft des Familienunternehmens Straathof. Die Straat- hof-Ställe standen einst in der Kritik wegen mehrfacher Verstöße gegen das Tierschutzgesetz. Dem niederländischen Unternehmer Adrianus Straat- hof wurde in der Folge gerichtlich untersagt, in Deutschland Schweine zu halten.
Vor diesem Hintergrund ist die Allianz mit der Grünen-Ministerin zum Verbot der Ferkelkastration eher ungewöhnlich. Das Unternehmen, in dessen Zuchtstätten nach eigenen Angaben täglich 4000 Ferkel geboren werden, hat kürzlich sogar eine Petition gegen die Praxis der Ferkelkastration gestartet. „Wir fordern ein generelles Verbot der Ferkelkas- tration sowie der Schlachtung, Verarbeitung und des Handels mit kastrierten Tieren in Deutschland“, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. Wer das Anliegen unterstützen möchte, kann auf der Seite eine elektronische Postkarte an das Bundeslandwirtschaftsministerium schicken.
Bislang hätten sich in den ersten vier Wochen etwa 1000 User an der Aktion beteiligt, berichtet Jörn Göbert, Geschäftsführer der Holding. „Das ist weniger, als ich mir erhofft hatte“, sagt er. Ihn wundere außerdem, dass sich noch keine Tierschutzorganisation seiner Forderung angeschlossen habe.
Doch wieso setzt sich das Unternehmen nun offensiv gegen die Ferkelkastration ein? Die Holding begründet den Vorstoß mit dem Wohl von Tieren und Mitarbeitern. Das Narkosegas Isofluran könne bei Beschäftigten auf Dauer gesundheitliche Schäden verursachen, sagt Göbert. Außerdem sei die Narkose für die Ferkel eine zusätzliche Belastung des Körpers, die Wunde bleibe ein gesundheitliches Risiko für die Tiere.
Alternativ befürwortet das Unternehmen die Mast ohne Kastration oder eine Impfung der Eber gegen den Ebergeruch, die sogenannte Immunokastration. In anderen europäischen Ländern wird die Impfmethode bereits in großem Stil angewandt. In Deutschland ist die Akzeptanz von nicht kastrierten Schweinen bei den Schlachtereien weniger ausgeprägt. Landwirte erhalten für geimpfte Eber oft weniger Geld als für kastrierte.
Die LFD Holding müsste sich als Zuchtbetrieb bei einem Kastrationsverbot allerdings nicht um das Impfen kümmern. Das wäre dann Sache der Mastbetriebe, an die die Holding Zuchttiere verkauft. Göbert betont dazu jedoch, sein Unternehmen würde dann auch von den Mastbetrieben weniger Geld für unkastrierte Tiere bekommen. Mit einem Kastrationsverbot würde ein klarer Rahmen für alle Marktteilnehmer herrschen, betont er.
Bei den Kosten für die Anti-Geruchsimpfung und die Narkose mit Gas sind die Unterschiede eher gering, wie die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) vorrechnet. Für die Impfdosis (zwei Spritzen) müsse der Landwirt mit rund vier Euro pro Eberferkel rechnen, hinzu kämen Arbeitskosten. Bei der Inhalationsnarkose sind es ebenfalls rund vier Euro, allerdings mit Tierarztkosten, die ab 2021 wegfallen sollen. Die Interessengemeinschaft präferiert keines der beiden Verfahren. Es gehe vielmehr darum, für „möglichst viele Schweinehalter eine Lösung zu finden“, betont Jana Denecke, Sprecherin der ISN.
So sieht es auch der Bauernverband Sachsen-Anhalt. „Wir wollen uns gegen kein Verfahren verwehren“, sagt Nele Kruse, Referentin für Tierhaltung. Für die etwa 300 Mast- und Zuchtbetriebe mit gut einer Million Schweinen im Land wolle der Bauernverband „alles offen halten“.
Hingegen favorisiert Manfred Weber, Dezernatsleiter Schweinehaltung an der Lehr- und Versuchsanstalt in Iden (Altmark), die Anti-Geruchsimpfung. Sie funktioniere „sehr gut“, das Problem sei allerdings der Absatz. Für Schweine mit Hoden würde einfach weniger bezahlt, speziell auf dem Absatzmarkt Südostasien seien sie nicht erwünscht, sagt Weber.
Bei der Inhalationsnarkose sei nicht ganz klar, ob die Narkosegeräte wirklich keine Verdampfung des für Menschen schädlichen Gases zuließen, sagt der Fachmann. Im vergangenen Jahr habe die Lehr- und Versuchsanstalt für die Ausbildung von Schweinehaltern ein Narkosegerät bestellt. Genutzt würde es aber erst, wenn die betäubungslose Kastration nicht mehr erlaubt ist.
Die LFD Holding will laut Göbert auch ab 2021 auf Narkosegeräte verzichten, auch wenn das Verfahren für sein Unternehmen „nicht viel teurer“ sei. Lieber wolle er vollständig auf die Kastration verzichten.