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Verbraucher Ikea stoppt lebenslanges Umtauschrecht

Vor zwei Jahren machte Ikea Schlagzeilen mit der Ankündigung, gekaufte Waren zeitlich unbegrenzt zurückzunehmen. Das ändert sich jetzt.

17.08.2016, 23:01

Hofheim (dpa) l Der Möbelhändler Ikea nimmt nach zwei Jahren sein zeitlich unbegrenztes Rückgaberecht wieder zurück. Die Kunden haben bei Einkäufen ab dem 1. September 2016 noch ein Jahr Zeit, um Ware ohne Angabe von Gründen zurückzugeben und den Kaufpreis erstattet zu bekommen. Damit werde das Rückgaberecht in den deutschen Filialen mit einer globalen Ikea-Richtlinie vereinheitlicht, teilte das Unternehmen an seinem Deutschland-Sitz in Hofheim bei Frankfurt mit. Die Frist von 365 Tagen liege immer noch über dem in der Branche Üblichen und gebe dem Kunden Sicherheit gegen Fehlkäufe.

„Wir haben festgestellt, dass unsere Kunden gar keinen Bedarf für eine so lange Frist haben“, sagte der bei Ikea Deutschland für die Kundenzufriedenheit verantwortliche Manager Klaus Cholewa. „Weit über 90 Prozent der Kunden, die einen Artikel umtauschen wollen, kommen in den ersten zwei bis drei Monaten nach dem Kauf. Wir müssen daher keine Prozesse für etwas vorhalten, was gar nicht benötigt wird.“

Von einem Missbrauch der im August 2014 eingeführten unbegrenzten Rückgabe wollte Cholewa nicht sprechen. Zusätzlich entstandene Kosten könne er nicht beziffern. „Zu Beginn hatte es Einzelfälle gegeben, in denen Kunden Waren zurückgebracht haben, die offensichtlich schon jahrelang im Keller gelegen hatten. Dabei galt die unbegrenzte Rückgaberegel ausschließlich für Waren, die seit dem 25. August 2014 gekauft worden waren. Das haben wir damals sicherlich nicht klar genug kommuniziert“, sagte Cholewa. Das unbegrenzte Rückgaberecht wird in Zukunft für Produkte gelten, die zwischen dem 25. August 2014 und 31. August 2016 gekauft worden sind.

Deutschland entwickelt sich trotz des Umschwenkens Ikeas zum Umtauschparadies. Unter dem Druck der Internet-Konkurrenten räumen immer mehr Textilhändler, Möbelläden und Lebensmittelgeschäfte ihren Kunden für Einkäufe Rückgabefristen von vier Wochen oder mehr ein.

Sogar unbefristete Umtauschangebote sind inzwischen zu finden. Dabei gilt beim Shoppen im Laden eigentlich der Rechtsgrundsatz: Gekauft ist gekauft.
„Die Händler in Deutschland waren schon immer recht kulant beim Umtausch. Aber durch den Online-Handel ist der Druck, in diesem Bereich kundenfreundlich zu agieren, noch einmal deutlich gewachsen“, erklärt der Handelsexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU.

Schließlich ist im Online-Handel eine Umtauschfrist von 14 Tagen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben bei den meisten Produkten selbstverständlich. Daran habe sich der Kunde gewöhnt, heißt es beim Handelsverband Deutschland (HDE). In der Praxis werde eine solche Umtauschmöglichkeit inzwischen „häufig selbstverständlich vorausgesetzt und zum Teil selbstbewusst eingefordert“.

Viele Händler bemühen sich inzwischen deshalb, diese Vorgabe noch zu übertreffen. So geben etwa H&M, Primark und KiK ihren Kunden vier Wochen Zeit, sich den Kauf noch einmal zu überlegen. Andere gehen noch einen Schritt weiter. Aldi Nord etwa nimmt Lebensmittel „zeitlich unbegrenzt und ohne Vorlage des Kassenbons“ zurück. Auch Aldi Süd ist „jederzeit“ dazu bereit. Lidl tut das Gleiche.

Ganz selbstlos ist die Großzügigkeit der Händler ohnehin nicht. Handelsexperte Fassnacht verweist darauf, dass auch die Unternehmen durchaus von solch kundenfreundlichen Reglungen profitieren können: „Die längeren Umtauschfristen reduzieren das Risiko für die Verbraucher und erleichtern damit die Kaufentscheidung.“
Die wachsende Kundenorientierung kommt gut an. Bei einer vom Allensbach-Institut im Auftrag des HDE erstellten Studie zeigten sich rund 90 Prozent der Befragten zufrieden mit der Umtauschpraxis des Einzelhandels. Am häufigsten umgetauscht werden demnach Bekleidungs und Elektroartikel. Erst mit weitem Abstand folgten Heimwerkerartikel, Möbel und Lebensmittel. Gleichzeitig zeigte die Untersuchung klare Unterschiede im Geschlechterverhalten. Frauen machen demzufolge deutlich häufiger von der Umtauschmöglichkeit Gebrauch. Und sie geben gekaufte Produkte überdurchschnittlich oft wegen Nichtgefallens zurück. Männer reklamieren dagegen häufiger defekte Produkte. „Langfristig werden die längeren Umtauschfristen zum Standard werden“, glaubt Fassnacht.