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Wohnen Riecke: "Zweite Abrisswelle wird kommen"

Die Wohnungswirtschaft in Sachsen-Anhalt kritisiert den vom Mieterbund geforderten Abriss-Stopp.

20.06.2017, 23:01

Magdeburg l In den Chefetagen der kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbauunternehmen sind diese Sätze nicht gut angekommen: Der Chef des Deutschen Mieterbundes, Franz-Georg Rips, hatte vor anderthalb Wochen im Volksstimme-Interview gefordert, den Abriss von leerstehenden Wohnungen in Sachsen-Anhalt zu beenden. Rips sagte: „Die Wohnungsunternehmen sollten leerstehende Quartiere als Reserve erhalten.“ Und weiter: „Die kommunalen Wohungsunternehmen und Genossenschaften haben genügend finanzielle Reserven. Die können sich das leisten.“

Der Verband der Wohnungswirtschaft (VdW) und der Verband der Wohnungsgenossenschaften (VdWg) in Sachsen-Anhalt haben den Vorstoß des Mieterbundes am Dienstag vehement zurückgewiesen. „Das steht dem Deutschen Mieterbund nicht zu. Zum Abriss gibt es keine Alternative“, sagte VdWg-Direktor Ronald Meißner in Magdeburg. Bei den 193 kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen im Bundesland stehen derzeit rund 34.000 Wohnungen leer. Die unbewohnten Immobilien trüben die Bilanz. Mietausfälle durch Leerstände betrugen im vergangenen Jahr rund 100 Millionen Euro. „Wir haben keine 100 Millionen dauerhaft zu verschenken“, sagte Meißner. Die Forderung der Mieterbundes, die Unternehmen seines Verbandes sollten leerstehende Quartiere als Reserve erhalten, bezeichnete Meißner als „abwegig“. Der Leerstand in Ostdeutschland sei keine Lösung für die Probleme in den westdeutschen Ballungsgebieten, so Meißner.

Die Mitgliedsunternehmen der beiden Verbände verwalten in Sachsen-Anhalt derzeit einen Bestand von rund 334.600 Wohnungen. Darin leben etwa 650.000 Menschen. Etwa 200.000 Wohnungen im Bundesland seien seit der Wende abgerissen worden. Die Kombination aus Umbau und Abriss habe die Wohngebiete in den Städten deutlich aufgewertet, sagte VdW-Direktor Jost Riecke. „Eine zweite Abrisswelle wird kommen“, so Riecke weiter. Grund dafür seien die sinkenden Einwohnerzahlen. Aktuelle Prognosen des Statistischen Landesamtes gehen davon aus, dass im Jahr 2030 weniger als zwei Millionen Menschen in Sachsen-Anhalt wohnen werden.

Während die Ballungszen-tren Magdeburg und Halle weiter wachsen, werden vor allem die Landkreise weiter schrumpfen. Bereits heute kämpfen die Wohnungsunternehmen in Städten wie Bitterfeld-Wolfen, Eisleben oder Sangerhausen mit einer Leerstandsquote von bis zu 30 Prozent. Landesweit stehen 8,4 Prozent der Wohnungen leer. Dazu gehören auch rund 19.000 unsanierte Immobilien, die in den nächsten Jahren vom Markt genommen werden sollen.

Im Hinblick auf die Bundestagswahl im September forderte Roland Meißner, es dürfe bei der Wohnungspolitik keine Blaupause wie etwa einen Abrissstopp von Hamburg bis München geben. In Sachsen-Anhalt gebe es ausreichend Wohnraum, der auch bezahlbar sei: Im vergangenen Jahr ist die durchschnittliche Kalt-Miete bei den kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsunternehmen um sechs Cent auf 4,82 Euro je Quadratmeter gestiegen, so Meißner.