1. Startseite
  2. >
  3. Varia
  4. >
  5. USA erhöhen Druck auf Nord Stream 2

Gas-Pipeline USA erhöhen Druck auf Nord Stream 2

Administratin in Washington macht mit Strafmaßnahmen Ernst / Empörung in Deutschland

Von Can Merey und Michael Fischer 22.11.2020, 23:01

Washington (dpa) l Die US-Regierung sieht die deutsch-russische Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 auf den letzten Metern vor dem Aus und erhöht den Sanktionsdruck auf beteiligte europäische Unternehmen. „Diese Pipeline findet nicht statt“, sagte ein hochrangiger US-Regierungsvertreter der Nachrichtenagentur dpa in Washington. „So sieht eine sterbende Pipeline aus.“ Die Regierung habe eine Anzahl Unternehmen und Personen identifiziert, denen nach dem Sanktionsgesetz gegen Nord Stream 2 erste Strafmaßnahmen drohten.

Die Betroffenen würden derzeit kontaktiert und über die drohenden Sanktionen informiert. „Die USA wollen keine Sanktionen gegen europäische Unternehmen verhängen müssen. Wir machen diese Anrufe, um sie zu warnen und ihnen Zeit zum Aussteigen zu geben“, sagte der Regierungsvertreter. Die Abwicklung von Aktivitäten im Zusammenhang mit Nord Stream 2 werde nicht mit Sanktionen belegt.

„Anstatt mehr Geld in die Nord-Stream-2-Pipeline und damit zusammenhängende Aktivitäten zu stecken, wären Unternehmen besser beraten, Klauseln über höhere Gewalt anzuwenden, um ihre Beteiligung an Nord Stream 2 rückgängig zu machen“, sagte der Regierungsvertreter. Angaben dazu, welche Unternehmen konkret kontaktiert würden, machte er nicht. Er nannte Nord Stream 2 „ein geopolitisches Projekt, das Russland dazu nutzen wird, europäische Länder zu erpressen“.

In der deutschen Wirtschaft und Politik lösten die neuen Drohungen Empörung aus. „Unter Bündnispartnern ist ein solches Vorgehen völlig indiskutabel“, sagte der Vorsitzende des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, Oliver Hermes, der dpa. „Wir fordern die scheidende Administration in Washington dazu auf, die europäische Souveränität zu achten und wieder umfassend mit deutschen und europäischen Behörden zu kooperieren.“

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Achim Post, sprach von „Kraftmeierei“. Drastischer drückte sich der Vorsitzende des Bundestags-Wirtschaftsausschusses, Klaus Ernst, aus: „Wenn die USA von diesen Mafia-Methoden nicht abrücken, muss Europa Gegenmaßnahmen ergreifen, etwa Strafzölle auf US-Gas erheben oder Sanktionen gegen Personen verhängen, die sich bei der Schutzgelderpressung besonders hervortun“, sagte der Linken-Politiker.

Durch die zwei jeweils rund 1200 Kilometer langen Leitungen von Nord Stream 2 sollen künftig pro Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Erdgas von Russland nach Deutschland gepumpt werden. Die etwa 9,5 Milliarden Euro teure Pipeline ist zu 94 Prozent fertig. Die USA laufen aber seit Jahren Sturm dagegen, weil sie eine zu große Abhängigkeit ihrer europäischen Partner von russischem Gas sehen. Unterstützt werden sie von osteuropäischen Staaten wie Polen und den baltischen Ländern. Kritiker werfen den USA dagegen vor, nur ihr Flüssiggas in Europa besser verkaufen zu wollen.

Im Dezember 2019 waren die Bauarbeiten vor der dänischen Insel Bornholm abrupt gestoppt worden, weil die beiden Schweizer Verlegeschiffe unter dem Sanktionsdruck der USA ihre Arbeit eingestellt hatten. Der US-Kongress hatte zuvor das „Gesetz zum Schutz von Europas Energiesicherheit“ (Peesa) mit parteiübergreifender Unterstützung verabschiedet, US-Präsident Donald Trump setzte es trotz scharfer Kritik aus Deutschland und Russland in Kraft.

Im Rahmen des Gesetzespakets zum Verteidigungshaushalt (NDAA) 2021 soll bald ein weiteres Gesetz (Peesca) verabschiedet werden, mit dem die Sanktionen noch verschärft werden. Danach könnten auch Unternehmen, die Schiffe für andere Aktivitäten im Zusammenhang mit Verlegearbeiten stellen, mit Strafen belegt werden. Dabei kann es sich etwa um das Ausheben von Gräben für die Pipeline handeln.

Auch Firmen, die betroffene Schiffe versichern oder ihnen ihre Hafenananlagen zur Verfügung stellen, drohen Sanktionen. Das gleiche gilt für Unternehmen, die Zertifizierungen für die Pipeline vornehmen, damit diese in Betrieb gehen kann.