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Hebamme Vom Kreißsaal ins Wohnzimmer

Die Osterwieckerin Susann Freise bereitet gerade ihre Selbstständigkeit vor. Sie wird ab August freiberuflich als Hebamme arbeiten..

Von Susann Gebbert 06.05.2018, 06:01

Osterwieck l Diesen ganz besonderen Zauber, wenn ein Mensch auf die Welt kommt, hat Susann Freise 300 Mal erlebt, zweimal am eigenen Leib. Jetzt sagt sie dem Kreißsaal „Tschüss und auf Wiedersehen“. Die Osterwiecker Hebamme möchte ab Mitte August freiberuflich arbeiten. Sie will Geburtsvorbereitungskurse, Nachsorge, Beratungen und Hilfe bei Problemen in der Schwangerschaft und im Wochenbett anbieten.

Für die Geburtsvorbereitungskurse steigt Susann Freise in das Bewegungszentrum „Sportykus“ in Wernigerode ein. Dort bieten die Physiotherapeutin Ulrike von Hoff und die Rehabilitationspsychologin Jessica Munzke Sportkurse für unterschiedliche Altersgruppen an, auch für Kleinkinder ab einem Jahr. Es gibt auch Krabbelgruppen und ein Kindercafé, zu dem sie alle zwei Monate einladen. Susann Freise ergänzt ab Mitte August das Angebot um Kurse für Schwangere. Auch Rückbildungskurse möchte sie dort anbieten. Hier geht es vor allem darum, Bauch- und Beckenbodenmuskeln durch Sportübungen wieder in die alte Form zu bringen.

Die Osterwieckerin betreut zusätzlich frischgebackene Mütter in Osterwieck und Umgebung. „Ich besuche sie zuhause, um sie bei der neuen Herausforderung zu unterstützen“, so Susann Freise. Für ihre freiberufliche Arbeit hat sie an Fortbildungen zu Taping (Klebeband zur Behandlung von Schmerzen) und Beckenbodentrainig teilgenommen.

Susann Freise hat nach ihrer Ausbildung zur Hebamme 2010 an der Uniklinik in Magdeburg, im Kreißsaal in Hannover und Wernigerode gearbeitet. Etwa 300 Geburten hat sie begleitet. Ab Mitte August konzentriert sie sich erstmal nur noch auf die Zeit vor und nach der Geburt. „Die Haftpflichtversicherung ist für selbstständige Hebammen im Bereich der Geburtsbegleitung sehr teuer“, erklärt sie. Außerdem möchte die zweifache Mutter von Kleinkindern zurzeit nicht in Schichten arbeiten, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben.

So wie Susann Freise entscheiden sich bundesweit immer mehr Hebammen gegen den Kreißsaal. Das hat Konsequenzen. Kürzlich wies die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG) daraufhin, dass immer mehr Kliniken Schwangere vor und gar unter der Geburt fortschicken müssen, weil der Kreißsaal überbelegt ist. Als Gründe nennt die Gesellschaft unter anderem: zunehmende Geburtszahlen, Personalengpässe bei Ärzten und Hebammen und das Schließen kleinerer Geburtsstationen, ohne dass die großen ihre Kapazitäten erweitern. Beispielhaft dafür war die Klinik „St. Vinzenz“ in Braunschweig. Dort sollte 2016 erst nur die Geburtsstation schließen, dann machte zum Ende des Jahres gleich die ganze Klinik dicht. Auch der Kreißsaal des Klinikums Bitterfeld-Wolfen musste im vergangenen Jahr drei Wochen schließen, weil mehrere Hebammen gleichzeitig krank waren und die Klinik keine Aushilfen fand.

Susann Freise wird die Geburtshilfe vermissen. „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, wenn so ein kleiner Mensch auf die Welt kommt und Mama und Papa sprachlos vor Staunen sind und Rührung sind.“ Sie empfand es immer als Geschenk, das beobachten zu dürfen.

Angelika Krause und Eva Richardt sind weitere Hebammen, die sich um Osterwiecker Schwangere und Mütter kümmern. Die genaue Anzahl lässt sich nicht bestimmen. Aufgrund der freien Hebammenwahl, können die Geburtsspezialistinnen von überall in die Ilsestadt kommen.

Entgegen dem gesamtdeutschen Trend, ist die Zahl der Neugeborenen in Osterwieck in den letzten zwei Jahren rückläufig. Lebten 2013, 2014 und 2015 noch etwa 35 Babys hier, waren es im vergangenen Jahr nur noch 20.

Der erste Geburtsvorbereitungskurs von Susann Freise startet am 13. August und richtete sich an Frauen, die Mitte Oktober bis Mitte November entbinden. Ihr erster Rückbildungskurs beginnt am 15. August. Beide Kurse sind im Wernigeröder „Sportykus“.