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Oper Shakespeare unterm Hanfbaum

„Die lustigen Weiber von Windsor“ gilt als die beste komische Oper der deutschen Frühromantik. Am Sonnabend hatte sie in Magdeburg Premiere.

Von Irene Constantin 08.05.2016, 23:01

Magdeburg l Erstens: Vergessen Sie Shakespeare. Zweitens: Vergessen Sie Sir John Falstaff, jedenfalls den bei Verdi. Drittens: Vergessen Sie „komisch-phantastische Oper“, so der Untertitel von Otto Nicolais „Lustigen Weibern von „Windsor“. Machen Sie die Kehlen bzw. die Augen und Ohren weit für einen lustigen Theaterabend, ein Musical mit etwas mehr Musik aus der Mitte des 19. und etwas weniger Sound aus der späten Mitte des 20. Jahrhunderts. Christian von Götz hat es einfallsreich und mit vielen Späßen frisch gemixt.

Die Deko von Ulrich Schulz ist eine Einheits-Kastenbühne mit – ein Hoch auf den Malsaal – phantastisch-psychedelisch kringelbunter Wandbemalung, bestückt mit etlichen Fahrzeugen: ein Radel-Sauf-Mobil, ein quietschbunter Käfer, ein fahrbares pinkes Riesen-Plüschsofa und, handlungs- beziehungsweise den dicken Falstaff via Waschmaschine in die kühle Themse tragend, ein Wäschekorb auf leichtgängigen Rollen.

Familie Fluth führt einen Beauty-Salon mit Sauna und einer höchst putzigen Reihe weiblicher Angestellter sowie besagtem Korb; Familie Reich, beste Freundin, bester Freund, gehen dort ein und aus. Sir John Falstaff möchte dies, wenn der eifersüchtige Hausherr abwesend ist, bekanntlich auch, legt aber nach jedem Versuch eine spektakuläre Bruchlandung hin: Wasserbad, verprügelte Flucht in Weiberkleidern.

Bevor sich der Vorhang allerdings vor all diesen Herrlichkeiten hebt, führt die Ouvertüre in Otto Nicolais musikalisches Windsor ein. Michael Balke am Pult der Magdeburgischen Philharmonie beginnt mit einem samtweichen waldesrauschenden Traumklang, der auf den verzauberten Schlussakt vorausweist und auf eine, der Mittsommerpoesie vorausgehende, putzmuntere Komödienmusik Lust macht.

Diese Erwartung erfüllt sich leider nicht. Die spritzigen und burlesken Teile der Ouvertüre pfeifen, fiedeln und rumpeln ein wenig kurkapellig daher. Es fehlt in der Ouvertüre genau das, was Frau Fluth nachher herbeiwünschen wird: Witz und heitere Laune. Allerdings passt das Ganze dann doch wieder, wenn sich der Vorhang hebt und eine radelnde Saufgesellschaft dem famosen Johannes Stermann sogleich das Stichwort für seinen Wunschkonzert-Song vom „Büblein klein an der Mutterbrust“ liefert. Man lauert auf die tiefsten Töne – und kriegt sie alle zu hören.

Irgendwann kommt das Orchester dann doch in Gang, aber da haben die vokalen Lustbarkeiten schon gut vorgearbeitet. Ute Bachmaier als Frau Fluth in einem aufregend hellblauen Kostüm, was ihr bestens zu Haut und zu Gesichte steht, schwingt sich höchst beweglich über ihr Plüschsofa und singt auch so. Glitzernd und rein, bezauberndes Piano in der Höhe; ihre Bühnen-Abschiedspläne möchte man gar nicht recht ernst nehmen.

Ihr sportiver Ehemann Thomas Florio ist stimmlich ebenso gut beieinander und glänzt vor allem im Duett mit Fal­staff, bei dem einer den anderen inkognito in die Falle locken möchte. Paul Sketris, Lucia Cervoni und Julie Marie du Theil als Vater, Mutter Tochter Reich machen ihre Sache gut; leider hatte David Zimmer als Anna Reichs Verehrer Fenton etwas wenig Schmelz in der Stimme, um der im Hain singenden Lerche ganz gerecht zu werden.

Im letzten Akt, der LSD-bunt und grünlich magisch unter einem riesigen Hanfbaum spielt, sollte man dann alle, das bisherige betreffenden, kleineren Meckereien vergessen. Dem Regisseur, der Choreografin Kerstin Ried, dem Bühnenbildner und vor allem den Kostümbildnern Ulrich Schulz und Verena von Götz gelingt tatsächlich ein Sommernachtstraum mit Shakespeare.

Das heißt, eigentlich gelingt er den wunderbaren Darstellern: den Chordamen, die hemmungslos ihre Elfenkostüme zu Spaß, Spiel und Gesang tragen, der witzig tanzenden Statisterie des Theaters, den Solisten in ihren Verkleidungen als Puck, Titania und Oberon sowie Paul Sketris als ganz bildhübschem Hirsch. Nicht zu vergessen der im Baum hangende Falstaff als Esel, dem am Ende alles verziehen wird. Frisch gepiesackt, wie er ist, gibt’s für ihn und die anderen „Freibier für alle“.

Weitere Vorstellungen: 16. Mai, 27. Mai, 12. Juni